US-Militär untersucht Vorwürfe

Zahlreiche Zeugenaussagen und freigegebene Dokumente sprechen dafür, dass in Guantánamo und anderen US-Gefangenenlagern regelmäßig gefoltert wird

WASHINGTON taz ■ Das Pentagon hat angesichts wachsender Vorwürfe über Misshandlungen von Gefangenen im Internierungslager Guantánamo Ermittlungen eingeleitet. Das teilte am Mittwoch die für den US-Militärstützpunkt auf Kuba zuständige Kommandozentrale in Miami mit. „Wir wollen die Fakten und Umstände dieser Behauptungen herausfinden und prüfen, ob die genehmigten Richtlinien eingehalten wurden“, hieß es in einer Stellungnahme. Noch Ende vergangenen Jahres hatte das Pentagon erklärt, die US-Armee gewährleiste in Guantánamo eine „sichere, menschliche und professionelle Behandlung“.

Schwere Vorwürfe hatten Agenten der US-Bundespolizei FBI in geheim gehaltenen Berichten an die Regierung erhoben, auf deren Herausgabe die Bürgerrechtsorganisation „American Civil Liberty Union“ im vergangenen Dezember klagte. Darin beschrieben FBI-Mitarbeiter, wie Gefangene stundenlang gefesselt am Boden lagen, auf sich selbst urinieren mussten oder mit lauter Musik beschallt wurden.

Auch das Rote Kreuz informierte das US-Militär bereits im Juni über „folterähnliche“ Behandlungen von Häftlingen in Guantánamo. Nach Angaben der New York Times leitete eine Inspektorengruppe der Hilfsorganisation vertrauliche Stellungnahmen an das Pentagon weiter, die von Verhörpraktiken psychischer und körperlicher Natur berichteten, die „gleichbedeutend mit Folter sind“.

In Guantánamo sind derzeit noch rund 500 Häftlinge aus über 40 Nationen interniert. Die meisten von ihnen sind dort seit drei Jahren ohne Anklage oder Zugang zu Anwälten. Die US-Regierung verweigert ihnen den Status als Kriegsgefangene und erklärte sie zu illegalen „feindlichen Kämpfern“. Zwar billigte sie den Taliban-Kämpfern Schutz durch die Genfer Konvention zu, nicht jedoch mutmaßlichen Terroristen. Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA vom Juni haben die Gefangenen jedoch das Recht auf einen Prozess vor US-Gerichten, um gegen ihre Gefangenschaft zu klagen. Präsident Bush hatte argumentiert, dass die US-Militärbasis außerhalb US-amerikanischen Hoheitsgebiets liege und die Häftlinge als Ausländer keinen Zugang zu US-Gerichten hätten. Nach dem Urteil wurde bislang gegen vier Häftlinge Anklage erhoben. Freigelassene Guantánamo-Häftlinge hatten wiederholt von Folterungen berichtet.

MICHAEL STRECK