politik und gehaltslisten
: Falscher Alarm

Inzwischen genügt das Wort „Gehaltsliste“, um einen Politiker in Erklärungsnot zu bringen. „CDU-Politikerin Hildegard Müller weiter auf Bank-Gehaltsliste“, meldete eine Nachrichtenagentur gestern. Mittlerweile gilt es schon per se als skandalös, wenn ein Parlamentarier weiterhin seinen früheren Hauptberuf ausübt – ohne Ansehen der näheren Umstände.

KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Dabei hatten jene Kritiker der Parteiendemokratie, die sich jetzt am lautesten über die Gehaltszahlungen beklagen, einst vor dem Typus des reinen Berufspolitikers gewarnt. Ein guter Abgeordneter müsse voll im Leben stehen, so lautete das Argument. Er dürfe seine Zeit nicht nur in den Hinterzimmern der Parteipolitik verbringen, und obendrein brauche er die Freiheit, nach der befristeten Ausübung eines politischen Mandats in eine bürgerliche Existenz zurückkehren zu können.

Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um einen deutschen Großkonzern, ist dieses Modell des Teilzeitpolitikers offenbar nicht mehr erwünscht. Als unproblematisch gilt dagegen eine Tätigkeit als Freiberufler oder Staatsbeamter, wie sie von der breiten Mehrheit der Abgeordneten entweder ausgeübt wurde oder immer noch wird. Dabei ist die Gefahr politischer Einflussnahme in diesen Bereichen keineswegs geringer. Auch Rechtsanwälte haben Interessen, ihre Mandanten sowieso. Und die Frage, woran eine Reform des Beamtenrechts scheitert, beantwortet sich mit Blick auf die Zusammensetzung von Bundestag und Landesparlamenten fast von selbst.

Obendrein vermischt sich diese legitime Debatte um politische Beeinflussung mit einer sachfremden Neiddiskussion, die sich vor allem an Zahlen festmacht: Je höher das Gehalt, desto größer der Skandal. Aufgeworfen wird daneben auch die Frage, ob die zeitliche Belastung eines Parlamentariers überhaupt eine berufliche Tätigkeit zulässt. Sie ließe sich aber mit gleichem Recht bei hauptberuflichen Regierungsmitgliedern stellen.

Doch die Alarmglocken schrillen im staatsgläubigen Deutschland immer nur dann, wenn „die Wirtschaft“ ihre Finger im Spiel hat. Diesen Umstand machen sich bei der aktuellen Demontage Angela Merkels just konservative CDU-Politiker zunutze. Politik vollzieht sich aber nicht im luftleeren Raum, sondern stets im Brennpunkt von Interessen. Was hilft, ist allein eine maximale Transparenz. Damit sich jeder selbst ein Bild machen kann.

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