Immer mehr Bedürftige hilflos

Die verdeckte Armut in Hamburg wächst, warnen die Wohlfahrtsverbände und erneuern ihre Forderung nach einem Armutsbericht. Beratungsaktion über Stütze-Ansprüche

Nach Schätzungen der Hamburger Wohlfahrtsverbände leben mindestens 200.000 Menschen in dieser Stadt in Armut. „Dies ist eine alarmierende Zahl, die sich mit Hartz IV weiter erhöhen kann“, warnte gestern Michael Edele, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW). Die Verbände forderten den Senat erneut auf, einen Armutsbericht zu erstellen. „Wenn man die Armut bekämpfen will“, so Wolfgang Völker von der Diakonie, „muss man die Gründe kennen.“

Der letzte Hamburger Armutsbericht 1997 wurde unter einem SPD-geführten Senat erstellt. Forderungen an den CDU-Senat nach einer Neuauflage lehnte die Sozialbehörde zuletzt im Herbst ab – „mit der Begründung, die vorliegenden Hartz-IV-Daten reichen aus“, so Edele. Von dem Bericht erwarte er Auskunft darüber, wie viele Haushalte in Hamburg wie lange in Armut leben und aus welchen Gründen.

Nach EU-Definition gilt als arm, wem weniger als 60 Prozent des Nettodurchschnittseinkommens zur Verfügung steht. In Hamburg erhielten 2003 rund 120.000 Menschen Sozialhilfe, weil dies offiziell auf sie zutrifft. Aufgrund des nationalen Armutsberichts 2004 kommt die AGFW aber zu dem Schluss, dass es hier weit mehr Arme gibt.

Der Bundesbericht belege, dass auf zwei Sozialhilfeempfänger bis zu zwei berechtigte Personen kommen, die ihre Ansprüche gar nicht geltend machen, erklärte dessen Co-Autor Richard Hauser. Dies ergebe eine Dunkelziffer aus Stützebedürftigen von bis zu 50 Prozent. Die Ärmsten im Land seien Kinder unter sieben Jahren, Jugendliche und Alleinerziehende. Dass eine Großstadt wie Hamburg keinen Armutsbericht erstelle, sei eine „Seltenheit“ in der Republik.

Die AGFW kündigte an, ihre Kampagne „Fehlt Ihnen was? Beratung kann helfen“ fortzusetzen, um Menschen aus der Not zu helfen. Am 8. Juni von 9 bis 21 Uhr können sich Betroffene kostenlos telefonisch (siehe unten) über ihre Rechte auf Sozialleistungen informieren. Am 15. Juni sind Berater mit Straßenständen in den Stadtteilen vor Ort. Die erste Kampagne im Herbst habe gezeigt, so Völker von der Diakonie, dass mehr als die Hälfte der Rat Suchenden über ihre Rechte nicht oder kaum informiert gewesen seien. Und fast allen, 91 Prozent, habe geholfen werden können. Eva Weikert

Hotline: 0800/40 14 00 00