Kochstraße wird Rudi-Dutschke-Straße: Die Anhörung der abwesenden Anwohner
: CDU poltert gegen Dutschke

Ist es unfair, den Anwohnerinnen und Anwohnern der Kochstraße erst vier Tage vor der Anhörung zur geplanten Umbenennung ihrer Straße in Rudi-Dutschke-Straße eine Einladung zu diesem Expertenabend zu schicken? Stimmt es, dass das Podium der geladenen Experten mit dem taz-Redakteur und Dutschke-Freund Christian Semler und dem Straßennamen-Experten Jürgen Karwelat viel zu einseitig besetzt worden ist?

Das jedenfalls waren zwei der zentralen Argumente, die die Gegnerinnen und Gegner der taz-Initiative noch einigermaßen sachlich am Dienstagabend in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg gegen die Umbenennung vorbrachten – über den Rest ihrer Argumente wäre Schweigen höflicher.

Denn vor allem CDU-Lokalpolitiker (kaum Frauen) waren es, die das große, polemische Wort gegen Rudi Dutschke schwangen – die Anwohnerinnen und Anwohner der Kochstraße dagegen waren kaum da. Das sprach nicht für ihre von der CDU behauptete massive Widerstandsfront gegen den Umbennenungsplan.

Ein Unternehmer, immerhin, brachte dann doch noch ein einleuchtendes Argument: Er sei erst seit einem Jahr mit seinem Betrieb samt etwa 50 Arbeitsplätzen in die Kochstraße gezogen und habe mit über 1.000 Briefen seinen Kunden die neue Adresse mitgeteilt. Das aber müsste er bei einer Umbenennung in Rudi-Dutschke-Straße nun nochmals tun. „Machen Sie nicht so’n Blödsinn“, forderte er deshalb.

Neben Semler war es vor allem Karwelat, der mit sachlichen Argumente die CDU-Polemiken bloßstellte. Um Straßennamen wurde in Berlin immer gestritten, erklärte er – aber allein die Anwohner darüber entscheiden zu lassen, sei falsch: Die Straßennamen in ihrem Umfeld gehörten allen Bürgerinnen und Bürger eines Viertels. Deshalb sei es richtig, dass die BVV darüber entscheide. Die Namen regten Menschen zum Ge- und Nachdenken im Alltag an. Und Dutschke habe als ein Kämpfer für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit eine solche Ehrung verdient.

Eine Kochstraße – benannt nach einem preußischen Hofrat des 18. Jahrhunderts – gebe es, so Karwelat, ein weiteres Mal in der Stadt. Dagegen gebe es einen Rudi-Dutschke-Weg nur noch einmal in Berlin, nämlich als einer Privatstraße der Freien Universität, womit er in der Öffentlichkeit und als Adresse nicht oder kaum vorkomme. Das aber sei der Sinn von Straßennamen.

Blieben am Ende nur zwei Argumente gegen die Dutschke-Straße: die Kosten – die jedoch für die öffentliche Hand Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) zufolge nur etwa 1.000 Euro betragen würden. Und Dutschkes angeblich „gestörtes Verhältnis zur Gewalt“, wie es ein CDUler formulierte. Dem widersprach Semler vehement: Dutschke sei immer ein Gegner von Gewalt gewesen, vor allem wenn sie sich gegen Menschen richte (siehe oben). Karwelat erinnerte an den Mediziner und Anthropologen Rudolf Virchow, der 1848 auch auf den Barrikaden stand und dennoch heute mit einer Straße geehrt werde. Elegant war auch der Einwand einer Kreuzbergerin, wie es denn bei den Generälen Yorck und Gneisenau in Sachen Gewalt aussehe. Müsste man dann nicht auch diese Straßen umbenennen? PHILIPP GESSLER