schwabinger krawall: grün gerettet von MICHAEL SAILER
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Normalerweise ist Frau Reithofer ein umgänglicher Mensch, aber wenn es sich um ihre Lieblinge dreht, ist der Ofen aus. Da wird sie notfalls rabiat. Jetzt gebe es einen Krach, sagt sie, als sich das Geräusch eines Rasenmähers dem Haus nähert. Auf dem Grünstreifen wachse sowieso nichts, da müsse man die wenigen Pflänzchen nicht auch noch mähen und dabei zentnerweise Hundedreck in der Gegend herumsprühen.

Sie solle, sagt ihr Mann, eben die Fenster zumachen und warten, bis sich der elendige Gestank verzogen hat. Darum gehe es nicht, sagt sie. Es sei ihr wurst, was vor den Nachbarhäusern geschehe, aber wenn die Kerle mit den Maschinen ihren Lieblingen ein Blatt krümmen, schreite sie ein. Wie man bloß ein solches Theater um ein paar längst verblühte Schneeglöckchen machen könne, seufzt ihr Mann und winkt ab.

Der städtische Angestellte in der orangefarbenen Plastikjacke ist bass erstaunt, als sich Frau Reithofer seinem Rasenmäher in den Weg stellt und über den Lärm des Motors hinweg schreit, sie werde nicht weichen, bis er sich geschlichen habe. Das gehe nicht, sagt er, es sei sein Auftrag, den Grünstreifen abzumähen, ob er wolle oder nicht. Dann, sagt Frau Reithofer, müsse er sie mit Gewalt entfernen. Sie solle sich nicht so anstellen, brüllt der Kollege des Mannes, der auf der Ladefläche eines Lasters sitzt und ein Wurstbrot verzehrt. Das sei doch bloß Gras. Eben nicht, schreit Frau Reithofer. Es handle sich um Osterglocken, Hyazinthen und andere edle Blumen, die sie selbst gepflanzt habe. Da könne er nichts machen, sagt der Mann, es müsse alles weg.

Frau Reithofer stürmt zum Laster, greift sich eine Handschaufel und kündigt an, in diesem Fall werde sie die Pflanzen eigenhändig vor der Vernichtung retten. Damit, ruft ihr der Mann hinterher, mache sie sich strafbar. Es sei grundsätzlich verboten, städtisches Eigentum umzugraben und zu entfernen.

Herr Reithofer, der die Szene vom Fenster aus verfolgt hat, ruft hinunter, man solle es ja nicht wagen, gegen seine Frau handgreiflich zu werden, sonst rufe er die Polizei oder werde selber handgreiflich.

POM Stangradl wird später als Zeuge aussagen, er sei in ein völlig entfesseltes Menschengewühl hineingeraten und von der Vermutung ausländerfeindlicher Ausschreitungen ausgegangen, die er unter Einsatz aller Kräfte notdürftig unterbunden habe, wobei ihm eine unbekannte Person mit einer Kehrschaufel eine Verwundung am Hinterkopf zugefügt habe.

Frau Reithofer wird feststellen, sie habe lediglich ihr Eigentum schützen wollen. Wie es geschehen konnte, dass dabei ein benzinbetriebener Rasenmäher vollständig zerstört, ein Fahrrad sowie zwei am Straßenrand geparkte Sportwagen erheblich beschädigt, der Inhaber des einen sowie ein Hundebesitzer, dessen Dackel, ein Postbote und zwei weitere Passanten unflätig beschimpft und mit Erde beschmutzt wurden, sei ihr unerklärlich.

Da der Tathergang nicht zweifelsfrei zu klären ist und allen Beteiligten eine gewisse Teilschuld am Gesamtschaden anzulasten ist, wird das Verfahren eingestellt, wofür sich Frau Reithofer beim Richter mit einer frisch geschnittenen Hyazinthe bedankt.