Das rot-grüne Niveau sinkt
: KOMMENTAR VON CHRISTIAN FÜLLER

SPD und Grüne tun sich keinen Gefallen, dem Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre heute das Licht auszuknipsen. Man mag die juristische und intellektuelle Qualität des Ausschusses unterschiedlich beurteilen. Nur eines ist gewiss: Ein U-Ausschuss sollte eines der Schwerter der Opposition bleiben. Deswegen muss die arrogante Attitüde verwundern, mit der die rot-grünen Regierungsfraktionen heute Minderheitenrechte niederstimmen wollen. Ist dies ein letztes Aufflammen von Regierungsherrlichkeit? Oder haben die Rot-Grünen, für die der Visa-Skandal nie existierte, doch irgendwie Angst vor dem Ausschuss?

Das Argument für den Ausschussstopp ist ein rein juristisches. Laut Gesetz könne kein Ausschuss über einen Wahltag hinaus arbeiten; daher müsse man vorher einen Abschlussbericht vorlegen – pünktlich versteht sich. Also Schluss jetzt, dekretieren die Rot-Grünen. Doch seit wann scheren die sich um die viel geschmähte Sekundärtugend Pünktlichkeit?

Tatsächlich geht es nicht um das Bedienen von Fristen, sondern um die politische Kultur. Die wird verletzt, wenn Regierende der Opposition ein halbwegs konsensuales Ausschussende verweigern. Nutzt die parlamentarische Mehrheit jetzt brutal ihr Stimmenübergewicht im Kampf gegen den Untersuchungsausschuss, so wird das Schule machen. Grüne wie SPD sind aber die Letzten, die es sich angesichts der politischen Lage leisten können, Minderheitenrechte zu missachten. Vielleicht brauchen sie das Schwert der Opposition bald selbst. Oder geht man im grünen Lager davon aus, darauf verzichten zu können, weil man im nächsten Bundestag gar nicht mehr sitzt?

Die Union hat mehrfach auf finstere Art unter Beweis gestellt, wohin Verbitterung über Wahlniederlagen führen kann: in die Niederungen der politischen Kultur. Die Union hat das Land systematisch schlecht geredet; sie hat den Bundesrat in eine reine Njet-Runde verwandelt; sie hat die berechtigte Kritik am Auswärtigen Amt durch den Vorwurf der Zuhälterei gegen den Außenminister diskreditiert. Warum eigentlich muss nun auch Rot-Grün, das in seinen sieben Jahren so viel für die politische Kultur getan hat, auf dieses Niveau hinab?