Religiöse Saubermänner auf dem Vormarsch

■ In Salzburg sollen Studenten wegen einer „gotteslästerlichen“ Karikatur gerichtlich verfolgt werden Diskussion über Aufnahme eines christlichen Grundwertekatalogs in die Verfassung / Idealisierung von Ehe und Familie

Aus Salzburg Luitgard Koch

Nicht nur Gottes Mühlen mahlen langsam, sondern des öfteren auch die der Justiz. Erst nach über einem Jahr erhob der Salzburger Staatsanwalt Heinrich Steinsky jetzt Anklage wegen „Gotteslästerung“ gegen drei Mitglieder der Salzburger Hochschulgruppe „Sozialistische Alternative“. Dem 28 jährigen Lehrer Werner Frach sowie dem 24 jährigen Juristen Siegfried Hettegger und dem Studenten Johannes Bernegger (26) drohen Vorstrafen und berufliche Schwierigkeiten, da sie als Anmelder für die „1. Antiklerikale Woche“ Anfang Mai vergangenen Jahres verantwortlich zeichneten. Diese Veranstaltungsreihe der „Sozialistischen Alternative“ mit Themen wie „Massenneurose - Religion“ oder dem Fest–Motto „Jesus skyleib countdown“ am Vorabend von Christi Himmelfahrt verursachte in der Stadt mit der größten Kirchen– und Bankendichte pro Quadratkilomter in Europa einigen Wirbel. Zum Stein des Anstosses wurde jedoch letztendlich das Ankündigungsplakat. Die Karikatur darauf - Gottvater als Puppenfigur in der Hand eines grinsenden Priesters - erregt nicht zum ersten Mal die klerikalen Gemüter. Vor einigen Monaten war die „Bunte Liste“ in Freiburg wegen derselben Karikatur in die Schußlinie der Justizbehörden geraten. Dank über 5.000 Pro testbriefen aus aller Welt konnten sie jedoch die Einstellung des Verfahrens erreichen. Salzburgs katholischer Universitätsrektor Friedrich Koja hatte zunächst das Anschlagen der Plakate genehmigt. Wenige Tage später gab der Rektor aber dem Druck der Kirche nach. Er stellte den Studenten ein Ultimatum: bis Mittag um 12.00 Uhr mußten alle 200 Plakate aus der Mozartstadt verschwunden sein. In der Zwischenzeit hatte die Finanzkammer des Erzbischöflichen Ordinariats Strafanzeige nach Paragraph 188 wegen des Verdachts der Herabwürdigung religiöser Lehren gestellt. Mit der Karikatur werde der Eindruck erweckt, daß „die Kirche gleichsam mittels Schauspielerei nur Macht ausüben will“. Kirche und Rektor leisteten ganze Arbeit. Die Genehmigungen für die Veranstaltungen wurden zurückgezogen. Merkwürdigerweise blieb ein weiteres Plakat der „Antiklerikalen Woche“, mit Beelzebub persönlich, vom Zensurakt verschont. An den Teufel, der auf einem Flugblatt auch für eine Kirchenaustritts–Beratung wirbt, wagte man sich anscheinend nicht heran. Nach den „aufgeklärten“ 70ern scheinen jetzt religiöse Eiferer und Saubermänner wieder im Aufwind. „Moralische Aufrüstung“ ist angesagt. Mit einem neuen Kindergartenbildungsplan versuchte Salzburgs stellvertretender Regierungschef Hans Katschthaler (ÖVP) religiöse Prinzipien in der Kindererziehung festzuschreiben. Erst nach zahlreichen Elternprotesten verschwand der neue Plan, nachdem die Kinder die Gebote Gottes lernen und ihnen die Schöpfungsgeschichte im Bilderbuch nahegebracht werden sollte, vorerst wieder in der Schublade. Dagegen hält die Diskussion um die Aufnahme eines christlichen Grundwertekatalogs in die Landesverfassung unvermindert an. Mit dieser einschneidendsten Veränderung seit Bestehen des Salzburger Landesverfassungsgesetzes wollen die ÖVP–Mitglieder, allen voran Landeshauptmann Haslauer, „Ehe und Familie als natürliche, geistige und sittliche Form menschlicher Partnerschaft und als wesentliche Grundlage unserer Gesellschaft“ ihren Landeskindern rechtsverbindlich vorschreiben. Was sich die Kirche von dieser Änderung vor allem verspricht: „den Schutz des Lebens von der Zeugung bis zum natürlichen Tod“, so Erzbischof Berg in einer Predigt. Damit soll das in Österreich gültige Bundesgesetz der „Fristenlösung“ unterlaufen und Abtreibung wieder in jedem Fall strafbar sein. Der Standpunkt der SPÖ: „Grundwerte haben in der Verfassung nichts zu suchen.“ Die Sozialisten wehren sich gegen diesen Regierungsvorschlag und der damit verbundenen einseitigen Idealisierung von Ehe und Familie. Nur mit einer Zwei–Drittel– Mehrheit, also auch einer Zustimmung der Sozialisten, kann eine Aufnahme der Grundwerte in die Verfassung erreicht werden. Doch die ÖVP hat noch einen Joker in der Tasche. Sie droht mit einer Volksabstimmung kurz vor den Landtagswahlen im nächsten Jahr. Protestbriefe wg. „Ketzerprozeß“ an Landesgericht Salzburg, z. Hd. Richter Dr. Ginthör, Kajetanerplatz 1, 5020 Salzburg oder Bundesminister für Justiz, Dr. Harald Ofner, Neustiftgasse 2, 1070 Wien, Spendenkonto der Sozialistischen Alternative PSK Salzburg, Kto. Nr. 7475.250