Kunst im Discount: „Irrsinnig volkstümlich“

■ Die größte Galerie Europas bietet alles - vom schwimmenden Entlein bis zum klassizistischen Kreuzgang Auf 1.750 Quadratmetern heiler Welt in Hamm–Rhynern im Ruhrgebiet gibts mehr als 8.300 Exponate zu kaufen

Aus Hamm Corinna Kawaters

Der knollennasige Mönch lächelt weinselig aus seinem Goldrahmen, daneben hängt ein verschämt dreinblickendes Zigeunerkind, kleine Entchen paddeln auf dem Teich. Die heile Welt in Öl und „Handarbeit“. In der Galerie Mensing gibts keine jungen Wilden, keine Kriegsbilder, wenig nacktes Fleisch. Dafür Romantisches - kleine Kinder, junge Mütter, Tiere - Hunde, Katzen, Herden - mit und ohne Hirten, Pferde - mit und ohne Reiter, Landschaften - mit und ohne Berge oder Hirsche. Und viele, viele bäuerliche Szenen aus dem 19. Jahrhundert. In der weißgeklinkerten, von außen etwas nach Discount–Center anmutenden Eingangshalle, dem Entree der Galerie, werden die preiswerteren Exponate angeboten. Eine Etage höher, auf rot bespannten Wänden, in mit Orientteppichen ausgelegten Räumen, findet der Kunde dann die gehobenere Preisklasse, „alte Meister“, in publikumsfreundlichen Formaten, die in jedes Wohnzimmer passen. Noch einen Raum weiter werden die großformatigeren Objekte angeboten– nicht jedermanns Sache vielleicht, weil schon zu empfindlicheren Preisen. Im Anbau schließlich, einem kuppelverglasten, klassizistischen Kreuzgang, zwischen Marmorstatuetten, vergoldeten Sofas und Edelholztischchen, die ganz teuren Objekte, von denen eins auch schon mal eine halbe Million kosten kann. Dafür rieselt dann auch leise Musik aus den versteckten Lautsprechern und verbreitet eine Atmosphäre, die ein Kollege von der Frankfurter Allgemeinen mit „gediegene Eleganz“ umschrieb. „Irrsinnig volkstümlich“ ist seine Galerie trotzdem, das weiß der Eigentümer, Joseph Mensing, ganz gut. Das ist auch sein offenes Betriebsgeheimnis– kein Kunde wird wegen seines Geschmacks kritisiert: „Der Kunde hat immer Recht.“ Dafür ist der freundliche Herr Mensing, ein gelernter Landwirt, schließlich Kaufmann. Und das hält er auch für seine besondere Qualität, die seinen Betrieb so groß gemacht hat, daß er seit 1982 alljährlich im Guinness Buch der Rekorde als größte Galerie genannt wird. „Selbst in den USA gibt es keine größere“, betont er, „in einer amerikanischen Fernsehsendung habe ich 3.500 Dollar für denjenigen ausgesetzt, der mir eine größere Kunsthandlung nennen kann– und niemand hat sich gemeldet!“ Das kaufmännische Verständnis ließ Herrn Mensing Fachleute zwecks Bildereinkaufs einstellen und eine Computeranlage anschaffen. Die vereinfacht die Arbeit ungemein: Nicht nur, daß die 200 bis 300 täglich eintreffenden Zuschriften leichter beantwortet werden können, auch die Lagerhaltung ist besser zu bewältigen. Ein Maler, ein Motiv, das „nicht geht“, ist leichter zu entdecken und kann durch ein, dem Publikumsgeschmack besser ent sprechendes ersetzt werden. Kundengeschmack, Trends und Marktlage besprechen die Einkäufer regelmäßig mit den vertraglich an die Firma Mensing gebundenen Künstlern. Die fertigen dann auftragsgemäß Handarbeit „im Stil von...“ Insgesamt 40 Angestellte helfen Herrn Mensing bei dem Geschäft mit der „Kunst für jedermann“, mit der er „achtstellige Umsatzzahlen jährlich“ macht, wie er bescheiden zugibt. Das Geld bringen „Leute aus allen Schichten“, erklärt eine Verkäuferin, vom Konzernchef bis zum Arbeitslosen. Da haben sich beispielsweise für die nächste Woche die Herren aus der Chefetage von Nixdorf Computers angesagt, die die Kritiklosigkeit an ihrem Kunstverständnis, die ihnen bei der Galerie Mensing entgegenschlägt, genauso zu schätzen wissen, wie die Damen vom Verband für Schweißtechnik. Die sollen ihre Herren nämlich demnächst bei einem Betriebsausflug begleiten und werden für zwei Stunden zwischendrin bei Herrn Mensing abgeladen. Für solche, oft weitgereiste Kunden hat der geschäftstüchtige Hausherr auch schon ein neues Projekt in petto, das er den taz–Lesern ganz exclusiv verrät: Ein Museum–Konzert–Cafe wird er bauen lassen, in „feudalem Schloßstil des 17.–18. Jahrhunderts, wo neben Kultur auch mal ein ordentlicher Eisbecher serviert wird“.