Gefangenenverein „Solidarität“ jetzt auch in Bayern legal

■ Oberlandesgericht Nürnberg hebt Kontaktsperre für bayerische Häftlinge mit Gefangenen– Organisation „Solidarität“ auf / Urteil bekräftigt Recht von Inhaftierten auf Vereinsmitgliedschaft und Teilnahme am Vereinsleben / Häftlinge wollen sich politisch engagieren

Von Luitgard Koch

München (taz) - Seit über einem Jahr wurde den Häftlingen aus der bayerischen JVA Straubing und Amberg jeglicher Briefwechsel mit Erwin Remus, dem Vorsitzenden der Gefangenenorganisation „Solidarität“ von der Anstaltsleitung verboten. Grund: Störung der Anstaltsordnung. Dabei berief man sich auch auf die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, wonach die Gründung örtlicher Vereine in Strafanstalten unzulässig sei. Um die Gefährlichkeit solcher Vereine zu demonstrieren, verwies man außerdem auf eine „Initiative Solidarität“ in der JVA Rheinbach, deren Ziel es sei, den Strafvollzug lahmzulegen. Doch schon vor dem Landgericht Regensburg erlitt die Anstaltsleitung eine Schlappe. Das Gericht konnte keine „konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt“ finden. Ebenso sei die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom August 81 nicht anwendbar, da es sich damals um einen Verein handelte, der lediglich in der JVA Straubing arbeiten wollte. Die Gefangenenorganisation „Solidarität“ existiert jedoch bundesweit; Mitglieder sind auch Rechtsanwälte und Sozialarbeiter. Die JVA–Leitung zog vor das OLG Nürnberg, um dort Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß einzureichen. Die Aufhebung der Kontaktsperre des Regensburger Gerichts wurde jedoch für rechtskräftig erklärt und festgestellt, es sei der JVA durchaus zuzumuten, den Schriftverkehr zu überwachen und im einzelnen beanstandete Schreiben einzubehalten. In dem Rundschreiben der „Solidarität“ vom April 85, das als Beweis für die Störung der Anstaltsordnung dienen sollte, konnte das Gericht keine „Aufhetzung“ von Gefangenen erkennen. Eine Einschränkung wurde jedoch gemacht: falls sich mehrere ähnliche Vereine konstituieren und es so zu einem Konkurrenzkampf kommen würde, könne dies ein Grund für eine Kontaktsperre sein. Der Münchner Rechtsanwalt Kampf, der den Gerichtsstreit durchgefochten hat, erwartet sich von diesem Urteil auch positive Auswirkung auf die Entscheidung über die Bildung von Ortsverbänden politischer Parteien, etwa der Grünen, hinter Gittern. Dazu hat der Landesverband der Grünen bereits eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. tazintern