I N T E R V I E W „Wir hatten keine Chance“

■ Simon Reyes, Führer der bolivianischen Mineros, über den abgebrochenen Marsch auf La Paz und über Verhandlungen mit der Regierung

Simon Reyes Rivera ist der gegenwärtige Führer der Bergarbeitergewerkschaft FSTMB. Er hat nach der Erklärung des Belagerungszustandes zur Beendigung des Marsches der Mineros von Oruro nach La Paz Verhandlungen mit der Regierung geführt. Die taz führte ein Gespräch mit ihm. taz: Senor Reyes, was ist Ihre Meinung zum Belagerungszustand? Simon Reyes Rivera: Der Belagerungszustand wird die Lage in unserem Land verschlimmern. Er ist eine Zwangsmaßnahme der Regierung, um den Marsch der Mineros aufzulösen. Wir glauben, daß dies eine sehr gefährliche Haltung war, denn es wurde das Leben vieler Menschen auf der Straße gefährdet. Wir mußten das Angebot der Regierung annehmen, um aus dem Dorf Calamarca herauszukommen. Wir waren militärisch eingekreist und hatten keine andere Möglichkeit. Es gab keine andere Lösung. Wurde die Entscheidung, abzuziehen, von allen Mineros akzeptiert? Es gab Widerstand von einem großen Teil der Mineros. Die Leute wollten bis nach La Paz weitermarschieren, und sei es auf Kosten ihres Lebens. Aber in diesem Fall haben die Führer die größte Verantwortung und müssen über die Lage entscheiden. Das haben wir getan, die Gewerkschaft und ich persönlich. Wir mußten das Angebot annehmen, damit es nicht zu Zusammenstößen mit dem Militär kam. Wir versuchen jetzt, Verhandlungen einzuleiten, um das Problem des Bergbaus zu behandeln. Wird es also einen ernsthaften Dialog mit der Regierung geben? Wir schlagen diesen Dialog vor und hoffen, daß die Regierung begreift, daß der Belagerungszustand das Minenproblem nicht löst, sondern es im Gegenteil nur verschlimmert. Denn jetzt gibt es zig Gewerkschaftsführer, Politiker und andere Verantwortliche, die verhaftet worden sind. Wie ist die Stimmung bei den Mineros? Sie sind sehr entmutigt, aber sie sind bereit, weiterzukämpfen und andere Kampfformen anzuwenden, wenn ihre Probleme mit dem Dialog nicht gelöst werden. Geht der Streik in den Minen weiter? Er wird weitergehen, bis Bedingungen herrschen, die uns erlauben, den Genossen zu sagen, daß sie ihn aufgeben sollen. Das werden wir entscheiden, wenn es Verhandlungen mit der Regierung gibt. Das Gespräch führte Thomas Pampuch