Dialog zwischen Mineros und Regierung

■ Der Ausnahmezustand und die Behandlung der Mineros stößt in Bolivien auf breiten Widerspruch / Gewerkschaftsführer kritisiert

Aus La Paz Thomas Pampuch

Unter Vermittlung der katholischen Kirche begann in der bolivianischen Hauptstadt La Paz am Dienstag ein Dialog zwischen Vertretern der Bergarbeiter und der Regierung. Am vergangenen Donnerstag hatte Präsident Paz Estenssoro den Ausnahmezustand ausgerufen, um den „Marsch für Leben und Frieden“, mit dem tausende von Bergarbeitern gegen die Stillegung unren tabler Zinngruben protestieren, zu stoppen. Dies ist der Regierung gelungen, die Mineros sind an ihre Orte zurückgekehrt, doch ein Großteil der Öffentlichkeit und alle Parteien außer der regierenden haben den Ausnahmezustand und die Behandlung der Bergarbeiter kritisiert. In den Verhandlungen, die nun am Dienstag begonnen haben, wollen die Gewerkschaften nach eigenen Angaben mit der Regierung einen Notplan aushandeln, um trotz des Verfalls der Zinnpreise die Schließung der Gruben und die Entlassung von 13.000 Arbeitern zu verhindern. Wohl auch auf Grund der großen Solidarität mit den Mineros hat die Regierung inzwischen eine Reihe von Maßnahmen zur sozialen Hilfestellung für die Bergarbeiter angekündigt. Darüberhinaus hat das Kabinett beschlossen, „die Möglichkeiten zu prüfen, eine Arbeitslosenversicherung einzuführen, um die großen sozialen Probleme, unter denen das Land leidet, zu lindern.“ Damit soll vor allem den durch die Schließung der Minen arbeitslos gewordenen Mineros geholfen werden. Gleichzeitig wurden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die besonders betroffenen Minendepartements Oruro und Potosi beschlossen. Die geplante Dezentralisierung der staatlichen Minengesellschaft COMIBOL, die die Schließung einiger Minen und die Überführung anderer in private Genossenschaften und eine Umstrukturierung der Zentrale vorsieht, werde aber in jedem Falle durchgeführt. Am Montagabend hatte der Kongress in La Paz begonnen, den Ausnahmezustand zu diskutieren. Außenminister Guillermo Bedregal, der starke Mann der Regierung Paz Estenssoro, verteidigte die Politik als eine Maßnahme, um die pseudorevolutionäre Gewerkschaft in ihre Schranken zu verweisen. Nur die Regierungspartei MNR repräsentiere die wahre Revolution in Bolivien und kanali siere sie, erklärte Bedregal. Innerhalb der Bergarbeiterbewegung hat inzwischen eine Diskussion über den Abbruch des Marsches begonnen. Auf verschiedenen Versammlungen der Mineros im Lande sind die Gewerkschaftsführer, die den Abzug mit der Regierung ausgehandelt haben, hart kritisiert worden. Die Mineros der ehemaligesn Patino–Mine Siglo XX haben einen Hungerstreik begonnen. Einige Frauen der Mineros, die sich zu Fuß bis nach La Paz durchgeschlagen haben, berichteten auf einem Meeting an der Uni, daß viele der Marschierer in den beiden Dörfern 50 Kilometer vor La Paz ausharren wollten. Sie fühlten sich von den Führern der Bewegung verraten. „Die Yankees (zur Zeit befinden sich 160 amerikanische Soldaten in Trinidad, im Norden des Landes, angeblich zur Bekämpfung des Drogenhandels) dürfen hier frei herumlaufen, aber uns will man verhaften, wenn man nach La Paz will!“ Von den fast 200 während des Ausnahmezustands Verhafteten ist inzwischen ein Teil wieder auf freiem Fuß. 55 Gewerkschafter und Linkspolitiker sind in Internierungslager in den Norden des Landes geflogen worden, 20 weitere werden noch in der Hauptstadt festgehalten. Einen toten Polizisten und zwei Verletzte gab es bei einer Demonstration von Studenten in Cochabamba, die gegen den Ausnahmezustand protestierten. 50 Demonstranten wurden festgenommen.