Mafiosi wollen Radikale werden

■ Zwei der blutrünstigen Bosse haben sich in der „Radikalen Partei“ Italiens eingeschrieben

Aus Rom Werner Raith

Die unteritalienischen Bosse der Mafia (die dort noch den altertümlichen namen „Ndrangheta“ hat) haben offenbar beschlossen, gleich eine ganze Parlamentspartei für ihre Zwecke nutzbar zu machen. Giuseppe Piromalli, bis 1984 Boss der Bosse im westlichen Calabrien und inzwischen zu siebenmal Lebenslänglich verurteilt und der notorische Camorra–Killer Francesco Andraous haben sich im Rahmen einer Mitgliederwerbung der kleinen Radikalen Partei (PR) dort eingeschrieben. Die Partei–Oberen der Radikalen Partei erschraken darob so, daß sie die Sache zunächst ganz unter der Decke hielten. Das Parteivolk erfuhr davon nun aus Zeitungen, weil der Parteigründer und ehemalige Vorsitzende Marco Pannella in „Il manifesto“ einen Brief an den derzeitigen Parteisekretär Giovanni Negri veröffentlichte, worin er die PR–Führer beschuldigte, Geheimniskrämerei ganz nach Art der bürgerlichen Parteien zu üben. Was aber für Pannella noch schwerer wiegt: Die vertane Chance, der angesichts von nur gut 2.000 Mitgliedern mit schweren Geldsorgen kämpfenden Partei durch Mafia– Geld wieder auf die Beine zu helfen. „Wie viel besser hätten wir die anstehenden Kampagnen z.B. für eine Strafvollzugsreform nach dem Piromalli–Signal mit den sicher folgenden tausenden von Einschreibungen durchführen können“, begeisterte sich Pannella. In einer Pressekonferenz sucht Parteisekretär Giovanni Negri die Unterwerfung unter den übermächtigen Pannella: Man bestätigte Parteizugänge grundsätzlich erst nach dreimonatiger Wartezeit, und da gebe es keine Ausnahme. Ganz wohl schien ihm noch immer nicht. Kein Wunder, bedenkt man, daß es den „ehrenwerten Herren“ zwischen Neapel und Palermo in der Vergangenheit mit Leichtigkeit gelungen war, ganze Parteien - wie die Liberalen nach dem Krieg und seither die Christdemokraten - zu unterwandern und örtlich zu steuern. Pannella verschärfte sein Lob des Mafia–Eintritts noch: Die beiden seien „Lebenslängliche wie jeder andere auch“; zweitens sei Parteimitgliedschaft nichts, was man „erwerbe“, sondern sich nehme, drittens zeige die Partei damit, wie man aus der Gewalt Gewaltfreiheit ziehe, denn die PR sei dieser verschrieben; somit sei, viertens, das alles einer der schönsten Momente in der Geschichte der Partei; man würde auch Mitglieder der Loge P2 oder sonstwen aufnehmen. Daß die Mafia–Bosse sich der Radikalen Partei - trotz deren Winzigkeit mit nur 1,5 Prozent Wählerstimmen - „annehmen“, hängt damit zusammen, daß die Radikalen ein Referendum zur Strafvollzugsreform eingeleitet haben und sich auch sonst sehr viel um Häftlinge bemühen. 1983 verhalfen sie dem „Autonomia operaia“–Führer Toni Negri zur Freiheit, indem sie ihn auf ihrer Liste zum Parlamentarier wählen ließen, 1984 wurde Tortora mittels der PR Europaabgeordneter. Dennoch wird der Neuerwerb von Mitgliedern wie Piromalli und Andraous zweifellos eine Zerreißprobe für die Radikalen bilden. Und manch einer mutmaßt, daß die dem alten Fuchs Pannella genau ins Konzept paßt: Er steuert seit geraumer Zeit die Auflösung „seiner“ Partei an. Viele Wähler würden dann zu Craxis Sozialisten überwechseln, und Pannella könnte, als Dank, endlich Minister oder Staatssekretär werden - wozu er sich bereits selbst vorgeschlagen hatte. Ob ihm der Coup gelingt, scheint allerdings fraglich, denn so ganz läßt sich den beiden Neu–Radikalen ihre Friedfertigkeit wohl nicht abnehmen: Piromallo z.B. hat noch aus dem Gefängnis heraus seine Aktivitäten weitergesteuert, und Andraous wurde, als Häftling, von Camorra– und Mafia–Bossen in Gefängnissen herumgeschickt, um Konkurrenten auszuschalten.