I N T E R V I E W Kooperation in der Umweltpolitik bahnt sich an

■ Interview mit der NRW–Spitzenkandidatin Antje Vollmer zum DDR–Besuch der Grünen

taz: Ein Gesprächsthema, wo ihr die größten Meinungsverschiedenheiten erwartet habt, war die Umweltpolitik. Vollmer: Da hat Tschernobyl viel verändert. Aber auch wenn die DDR nach wie vor nicht vom Umweltschutz als Priorität ausgeht, gibt es doch grundsätzliche Änderungen in der Politik. So wird weniger industrialisierte Landschaftspflege angestrebt. Bezeichnend für die Veränderung ist vielleicht diese Episode: am Montag–Gespräch mit Sindermann habe ich von der Gefahr einer Ökodiktatur gesprochen. Das heißt, daß Umweltschutzinitiativen, also eine Demokratisierung der Umweltpolitik, zum Umweltschutz gehört. Am Tag darauf sprach der Minister für Umweltpolitik, Reichelt, ausführlich über Umweltschutzbewegungen in der DDR und hob insbesondere die Rolle der Kirche hervor. Ihr habt ein gemeinsames umweltpolitisches Forum angeregt, das in der DDR stattfinden soll und in dem von den Grünen vorgeschlagene Ökologieexperten auftreten sollen? Wir hatten den Vorschlag am Montag eingebracht und er ist dann auch in der Politbürositzung danach - diese Sitzungen finden immer am Dienstag statt - besprochen worden. Was dabei ganz ungewöhnlich war, daß Sindermann noch einmal gekommen ist, am Dienstag, und zwar sofort um 14 Uhr, um uns die Zustimmung zu signalisieren. Gibt es schon einen Zeitrahmen für das Symposion? Nein. Die DDR wartet darauf und erwartet, daß wir interessante umweltpolitische Positionen einbringen. Zum Charakter des DDR–Besuches überhaupt: nach dem - sagen wir - sensationellen Auftreten der Grünen beim letzten Honecker–Besuch war ja zwischen der DDR–Führung und den Grünen die Eiszeit ausgebrochen. Was hat sich geändert? Also, nach dem Honecker–Besuch war Eiszeit, soviel ist klar. Wobei man natürlich auch sagen muß, daß das nicht nur seinen Grund im Verhalten der Grünen hatte. Es fehlte nach der Stationierung der Raketen auch das Motiv für nähere politische Beziehungen. Innerhalb der Eiszeit gab es eine lauwarme Beziehung zwischen Bundesregierung und DDR; gleichzeitig gab es die Verhandlungen mit der SPD über eine chemiewaffenfreie Zone. Die Grünen blieben da außen vor. Das war schon auffällig. Habt ihr eigentlich die Einreiseverweigerungen für Grüne angesprochen? Wiederholt und vehement, das heißt praktisch bei jedem Gespräch, haben wir das angesprochen. Wir haben diese Praxis einerseits als Erziehungsmaßnahme ironisiert, andererseits natürlich betont, daß wir an der Entwicklung zur DDR interessiert sind, und zwar auf allen Ebenen, daß sich mithin an diesem Punkt etwas bewegen muß... Sind die DDR–Gesprächspartner an diesem Punkt zustimmend ausgewichen? Bei der Frage der Einreise? Ich will hier nichts prophezeien. Aber so oder so, nach diesem Besuch wird sich etwas ändern. Kann man nach dem Besuch resümieren, daß es ein besonderes Verhältnis Grüne - DDR gibt? Einmal glaube ich, daß in Sachen Umweltschutzpolitik wir die allererste Adresse sind, was die Experten betrifft, was die Umweltschutzinitiativen betrifft. Die Grünen könnten auch für die DDR so etwas wie ein Vorwarnsystem sein für Probleme, die auf sie zukommen. Und da meine ich, daß sie beim Waldsterben und bei der Atomenergie nach Tschernobyl aufmerksamer geworden sind für das, was wir diskutieren. Das geben sie auch zu. Deinen Äußerungen entnehme ich, daß die DDR–Führung diesem Besuch mehr politisches Gewicht zukommen ließ, als ihr es erwartet habt? Sie waren z.B. bereit, uns Dinge zu zeigen, mit denen wir nicht so ohne weiteres gerechnet haben: der Besuch von Bitterfeld, von Schönberg zum Beispiel. Welche Punkte wurden im Gespräch mit dem gewichtigsten Gesprächspartner, mit Hermann Axen berührt? Beispielsweise wies Hermann Axen darauf hin, daß das Umweltschutzabkommen bis auf eine Kleinigkeit unterschriftsreif sei. Ich denke, daß die Befürchtung besteht, daß angesichts der Asylantenkampagne von Bonn ein positiver Vertragsabschluß mit der DDR eher vermieden wird.A propos, die Asylantenfrage: in der Tagesschau vom Dienstag gab es die merkwürdige Meldung, wonach die Grünen sich auch, wenn auch erfolglos, um einen Transitstopp für Asylbewerber bemüht hätten? Das Gegenteil ist wahr! Wir haben die DDR–Politiker beschworen, sich nicht von der Asylantenkampagne in der bundesrepublikanischen Innenpolitik beeinflussen zu lassen. Konsens und Dissens in der friedenspolitischen Frage? Ich habe darauf hingewiesen, daß die Nachstationierung mit verantwortlich ist, daß die Friedensbewegung zusammengebrochen ist. Axen hat nicht gesagt, daß die Nachstationierung ein Fehler gewiesen ist. Aber er hat gesagt, daß sie in Bezug auf SDI politisch anders reagieren werden. - Aber ich will noch etwas Allgemeines sagen: beeindruckend an diesem Gespräch war immer die selbstkritische Reflexion... Wird er denn sagen, ich bedauere den Bau der Mauer? Er wird niemals sagen, ich bedaure den Bau der Mauer, er wird aber auch nicht vom antifaschistischen Schutzwall reden. Interview: Klaus Hartung