Q U E R S P A L T E Blitzableiter Bangemann

■ Zur Debatte über Dummheit in der Bundesregierung

Man wird dem Unterhaltungswert der jetzigen Koalition einst nachtrauern. Daß mit Bangemann dem Kanzler ein würdiger Vize zur Seite gestellt wurde, erweist sich dabei immer mehr als dramaturgische Meisterleistung. Die beiden gewichtigsten Herren der Koalitionsparteien haben es geschafft, die Veröffentlichung der Gutachten zum Atom–Ausstieg - für sich bereits schwere Kost - im Handumdrehen zu einer Affäre hochzukochen. Kein Zweifel, diesmal bringen es die Kontrahenten auf den Punkt: Das Duo hält sich gegenseitig schlichte Dummheit vor. Bangemann habe den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen bei der Auswahl des Forschungsinstituts (“ich habe kein anderes gefunden“), sich allein auf die staatstragende Gesinnung des „RWI“ verlassen und nicht die Kohle–Interessen des Ruhrgebiets–Instituts beachtet. Aber gerade das Fehlen solcher Voraussicht macht den FDP–Chef so menschlich, wie ihn Heinz Erhard kaum besser spielen könnte. Und genau deshalb wird Kohl an Bangemann festhalten, er braucht ihn bitter nötig als persönlichen Blitzableiter beim allgegenwärtigen Gerede um das intellektuelle Schlußlicht der Regierung. Wer sagt denn, daß Kohl nicht genau deshalb die Sache zum offenen Kabinettsstreit gemacht hat? Bangemann selbst schießt schließlich auch scharf: Der Kanzler selber habe einfach nicht erkannt, welche Bombe seit dem 21. August in seiner Schreibtischschublade tickt. Wie langweilig war doch das dröge Sommertheater, als künstlicher politischer Koalitions–Konflikt um die Außenpolitik vom Zaun gebrochen! Kohl–Bangemann live ist allemal attraktiver, man muß es nur genießen können. Ulli Kulke