Telefonhäuschen festgenommen

■ Das traurige Ende des britischen Telefonkiosk / Plastikkultur statt Gußeisen

Aus London Rolf Paasch

Zwei der wunderschönen, tiefroten britischen Telefonhäuschen sind in der vergangenen Woche vom US–Zoll in Los Angeles festgenommen worden. Die beiden von amerikanischen Liebhabern erstandenen Schmuckstücke sollen gegen die zwischen der EG und den Vereinigten Staaten geltenden Stahl–Quoten verstoßen haben. Und das, wo ihnen jedes Kind ihren gußeisernen Charakter ansehen kann. Der Zwischenfall am Eingang zur neuen Welt, wo noch Kenner das Alte zu schätzen wissen, ist eine weitere traurige Etappe in der hemmungslosen Ausrottung der guten alten Telefonkioske durch die Barbaren von „British Telecom“ (BT). Denn was selbst die Telefon–Hooligans zwischen Liverpool und Margate noch nicht geschafft haben, vollbringt nun die von Frau Thatcher privatisierte Telefongesellschaft. Sie ersetzt das von Sir Giles Gilbert Scott in den 20er Jahren entworfene Design des heimeligen Gesprächs–Örtchens mit seinen 54 Butzenscheiben durch einen durchsichtigen Telecommunications–Container aus Plastik. Wurden schon die alten Telefonhäuschen so häufig beraubt, bekritzelt und bepisst, daß BT jährlich 36 Mio. Pfund (über 100 Mio. DM) für ihre Reparatur berappen mußte, so läßt sich leicht ausmalen, was frustrierte Vandalen und Telefon– Ästheten mit den neuen, sterilen Plastikzellen anfangen werden, die so zur Kommunikation animieren wie ein zu groß geratener Mülleinmer. Selbst in der Sprache schlägt sich kommerzielle Rowdietum der Telefongesellschaft nieder. Aus dem alten „Telephone“ wird nun ein „Pay–Phone“, beredter Ausdruck der Thatcher–Kultur des „bezahle oder schweige“. Kein Wunder, daß „British Telecom“ auch noch mit seinem 35 Mio. Pfund teuren Modernisierungsprogramm Geld machen will. Die Privatisierung–Hooligan verkaufen das ihrer Meinung nach antiquierte Design an die „London Telephon Box Company“, und die wiederum verhökert die begehrten Gesprächspaläste für 2.000 Pfund an Telefonfreaks in aller Welt. Bleibt nur zu hoffen, daß der Protektionismus über das Laissez faire siegt und der US–Zoll im weiteren Ausverkauf der britischen Insel endlich Einhalt gebietet.