P O R T R A I T
: "Den Eid ernst nehmen"

■ Für Asylsuchende fühlt sich in Helmstedt nur eine Rechtsanwältin zuständig: Claudia Fittkow / Der Preis für das Engagement: Kollegenhäme, Rückgang der Klienten und ein finanzielles Desaster

„Asylantensau“ steht in krakeliger Schrift unter dem Hinweis „Anwaltsbüro“, der in einem Helmstedter Bürohaus zur Kanzlei der Rechtsanwältin Claudia Fittkow (32) zeigt. Sie ist in ganz Helmstedt unter etwa zwanzig Anwälten die einzige, die von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge vertritt. Und das sind in dem kleinen Grenzort, wo der Bundesgrenzschutz (BGS) die Asylsuchenden aus dem Zug holt, nicht gerade wenige. Das Engagement für die Ausländer hatte für Claudia Fittkow Folgen: Die Kollegen, erzählt sie, „versauen sich ihre normale gutbürgerliche Kanzlei nicht mit so einem Mist“. Im Gegenteil: Höhnisch gab sogar ein befreundeter Anwalt einen auf Flüchtlinge modernisierten Judenwitz zum Besten. „Das hat dann einen Bruch in einer sehr lang andauernden Freundschaft gegeben“, sagt sie heute. Auch ihre Kundschaft reagiert - nicht zuletzt auf den Bekanntheitsgrad, den ihr die Strafanzeige gegen Innenminister Zimmermann und BGS–Amtsleiter Nehring bundesweit eingebracht hat. Ein Dauermandant, Geschäftsmann, meldete sich am Telefon mit den Worten: „Ich bin zwar kein Asylant, aber ich will ein Gespräch mit Ihnen.“ Viele rufen gar nicht erst mehr an. Wenn doch, dann verlangen sie von ihrer Anwältin eine Rechtfertigung dafür, daß sie „diese Asylanten und Kanacken“ betreut. Finanziell bahnt sich für Claudia Fittkow ein Desaster an. „Bisher habe ich aus der Staatskasse 104,88 DM gekriegt. Das reicht nicht.“ Die Einkünfte aus „normalen Fällen“ versiegen zusehens. Die junge Anwältin wirkt erschöpft. Mit fahrigen Bewegungen erzählt sie, in den letzten Wochen „wie ein Tier, Tag und Nacht“ gearbeitet zu haben. Zuspruch bekommt sie nur von den Wirten ihrer Stammkneipe. „Aber ich ziehe das durch“, beharrt sie, „auch wenn mich das in den finanziellen Ruin treibt.“ Claudia Fittkow hat zu Beginn ihrer Karriere einen Eid geschworen, als „Organ der Rechtspflege“: „Und diesen Eid nehme ich verdammt ernst.“ Axel Kintzinger