Persilschein für Cattenom

■ Französisches Gericht bezeichnet Klagen zwar als seriös, die Interessen der Atomindustrie gehen aber vor / Saarland kündigt Beschwerden gegen Urteil an

Aus Straßburg Felix Kurz

Das Verwaltungsgericht in Straßburg hat die Klagen gegen die Inbetriebnahme des französischen Atomreaktors in Cattenom abgelehnt. Damit bleibt sich der Atomstaat Frankreich treu, da bisher noch nicht ein einziges Mal der Bau oder der Betrieb einer Atomzentrale gestoppt worden ist. In der weniger als eine halbe Seite umfassenden Begründung erkannten die Richter zwar sämtliche Argumente der Kläger als „seriös“ an und hielten deshalb auch eine „Annullierung“ der angefochtenen Genehmigungsbescheide für gerechtfertigt. Doch schon im nächsten Satz lag die Urteilsbegründung wieder voll auf der Linie der Atompläne Frankreichs. Da hieß es dann, daß „unter der Berücksichtigung der Umstände dieses Falles und unter Beachtung der berührten Interessen“ ein Aufschub der Vollziehbarkeit der Abgabebescheide „nicht angezeigt“ sei. Das wars dann auch schon. Das Saarland, Luxemburg und zahlreiche Gemeinden aus den beiden Ländern und auch die Stadt Trier und der Landkreis Trier– Saarburg hatten vor dem „Tribu nal Administratif“ in einem Eilverfahren die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Genehmigungsbescheide für Cattenom beantragt, um so den für den 11. November vorgesehenen Start zu stoppen. Dazu hatten sie vorgetragen, daß die Genehmigungen fehlerhaft seien. Zudem rügten sie, daß die Franzosen die EG–Kommission bis heute nicht entsprechend dem Euratomvertrag über den geplanten Betrieb des AKW konsultiert haben. Überraschend fanden die Kläger am vergangenen Freitag bei der mündlichen Verhandlung im französischen Staatskommissar Antoine Mendras, einem offiziellen Vertreter des französischen Staates, Unterstützung. Doch die Hoffnung währte eben nur drei Tage. Nach Ansicht von Sprechern der „internationalen Aktionsgemeinschaft gegen Cattenom“, einem Zusammenschluß von über 50 Gruppen und Bürgerinitiativen, habe sich mit der Entscheidung des Gerichts „noch einmal deutlich gezeigt“, daß das AKW Cattenom „nicht auf juristischem Weg verhindert werden kann“. Die „halbherzigen Klageversuche bundesdeutscher Politiker“ würden nicht zum Erfolg führen. Die Aktionsgemeinschaft kündigte an, daß „der Widerstand gegen das Monster von Cattenom“ solange weitergehen werde, bis der „Preis für die Betreiber und die Befürworter der Atomenergie zu hoch ist“. Für den kommenden Sonntag will man mit einer internationalen Menschenkette von Luxemburg und der BRD aus nach Frankreich hinein die nächste Großaktion starten. Der saarländische Umweltminister Jo Leinen (SPD) sieht in der „abenteuerlichen Begründung“ des französischen Gerichts, eine „kaltschnäuzige, rabiate Art, Atomkraftwerke zu genehmigen“. Leinen war von dem Urteil sichtlich geschockt. Er kündigte an, daß die saarländische Landesregierung sich mit einer Beschwerde an die nächste Instanz, den „Conseil detat“, wenden werde. Mit dem Hinweis auf die mögliche Verletzung des Euratomvertrages allerdings sei vor allem die Bundesregierung aufgefordert, endlich vor dem europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen den Betrieb der Atomzentrale in Cattenom vorzugehen, forderte Leinen.