Aktion Volksentscheid: Abschied der Jusos?

■ 100.000 Unterschriften am Montag in Düsseldorf eingereicht / Rau betrachtet einen Volksentscheid als „schädlich“ für seine Energiepolitik / An diesem Wochenende geplante Aktionskonferenz von Universitäts–Rektor verboten

Von Jakob Sonnenschein

Düsseldorf (taz) - Die Initiatoren der Aktion „Volksbegehren gegen Atomanlagen“ haben am Montagmorgen ihren Zulassungsantrag, versehen mit über 100.000 Unterschriften, beim Düsseldorfer Innenministerium abgegeben. Jörg Liesendahl vom BUND ist davon überzeugt, daß die Initiative einen juristisch „wasserdichten“ Antrag zustande gebracht hat. Ministerialdirigent Heinz Elkemann, Leiter der verfassungsrechtlichen Abteilung, betonte, seine Abteilung werde den Gesetzentwurf, der eine Vergesellschaftung der Atomanlagen in Hamm–Uentrop, Würgassen und Gronau vorsieht, allein „nach rechtlichen und nicht nach politischen Kriterien“ beurteilen. Entscheiden wird, wie es die Landesverfassung vorsieht, letztendlich das Düsseldorfer Kabinett. Ministerpräsident Johannes Rau hat in der Vergangenheit mehrmals deutlich gemacht, daß er eine solche Volksabstimmung politisch nicht will und sie als „schädlich“ für seine Energiepolitik betrachtet. Deshalb wurden und werden die NRW–Jusos, die im Trägerkreis der Initiative mitarbeiten, massiv von der Mutterpartei bedrängt, diese Mitarbeit einzustellen. Beobachter gehen davon aus, daß der politischen in den nächsten Wochen die juristische Ablehnung folgen wird. Schon kurz nach Bekanntwerden der Initiative zum Volksbegehren kursierte am 21.5. in der Düsseldorfer Staatskanzlei ein Papier, in dem die Ablehnung aus verfassungsrechtlichen Gründen empfohlen wurde. Hauptargument damals: Der Gesetzentwurf zur Übernahme der Atomanlagen belaste durch die dann fälligen Entschädigungsleistungen in ex tremer Weise den Landeshaushalt und verletze somit die Finanzhoheit des Landes, die laut Landesverfassung durch ein Volksbegehren nicht angetastet werden darf. Ob allerdings eine solche Interpretation einer Überprüfung vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster standhielte, sei nicht sicher. Dem Innenminister bleiben sechs Wochen, um seine Entscheidung zu verkünden. Lehnt er nicht ab, so muß die Initiative innerhalb von zwei Wochen 2,5 Mio NRW– Bürger dazu bringen, mit ihrer Unterschrift den entsprechenden Gesetzentwurf zu unterstützen. Auf diese zweite Phase zielt die Aktionskonferenz der Initiative ab, die am kommenden Samstag in Bochum stattfindet. Inzwischen hat der Rektor der Ruhruniversität in Bochum dem Allgemeinen Studentenausschuß (AStA) untersagt, die Aktionskonferenz in Uni–Räumen abzuhalten. Begründung: Der AStA besitze kein allgemeinpolitisches Mandat. Will man die entsprechende Unterstützung in dem kurzen Zeitraum erreichen, ist ein wesentlicher Mobilisierungsschub erforderlich. Schwierig dürfte es für die 37 Organisationen, die das Volksbegehren mit tragen, dann werden, wenn es der SPD gelänge, die Initiative als einen Wahlkampf der Grünen zu denunzieren. Vor diesem Hintergrund gewinnt der mögliche Ausstieg der Jusos eine besondere Bedeutung. Zwar war der Landesvorsitzende Harald A. Swik am Montag in der vorderen Reihe dabei, doch der weitere Verbleib der Jusos ist unklar. Wenn die SPD–Kommission, die die Bedingungen für den Ausstieg in NRW am 15.9. konkretisieren will, „die Inhalte des Volksbegehrens in ihre Arbeit aufnimmt“, dann, so Swik, sei das Volksbegehren für die Jusos unter Umständen hinfällig. Dieser Einschätzung widersprachen auf der Pressekonferenz Vertreter der Jungdemokraten, des BUND und der Grünen vehement. Von dem Volksbegehren werde man nur dann ablassen, so der eindeutige Tenor, wenn die Landesregierung den zur Abstimmung stehenden Entwurf sich selbst zu eigen machte. Nur über diesen Weg sei in NRW ein Abschalten der Atomanlagen unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl und einer Änderung des Atomgesetzes denkbar. Daß Rau diesen Hinweis aufnimmt, steht nicht zu befürchten - für den eventuellen Abschiedsbrief der Jusos braucht es in jedem Fall viel Phantasie.