Kein Unterricht für 20.000 schwarze Schüler

■ In Südafrika wurden 20 Schulen für Schwarze bis Ende dieses Jahres geschlossen / Reaktion auf Schulboykott / Schüler forderten die Verbesserung der Ausbildungssituation und Freilassung der politischen Gefangenen / „Erziehung muß vom Volk selbst kontrolliert werden“

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - Mehr als 20 Schulen für Schwarze wurden am Mittwoch von den südafrikanischen Behörden bis Ende dieses Jahres geschlossen. Betroffen sind vor allem Schulen in der östlichen Kapprovinz sowie auch mehrere Schulen in der Gegend um Johannesburg. Während andere Schulen für Schwarze gestern nach den Winterferien wieder eröffnet wurden, werden etwa 20.000 der landesweit insgesamt etwa 700.000 Schüler aufgrund dieser Maßnahme den Rest des Jahres ohne Unterricht sein. Lehrer an diesen Schulen sollen entlassen oder an andere Schulen versetzt werden. Ein Sprecher des Ministeriums für Erziehung und Ausbildung (DET) warnte außerdem, daß auch andere Schulen geschlossen würden, falls Unruhen stattfinden. Die südafrikanischen Behörden reagierten damit auf die anhaltenden Proteste Jugendlicher, die mit dem Schulboykott auf die Misere im schwarzen Schulsystem hinweisen wollen. Neben der Verbesserung der Ausbildungssituation fordern die Schüler die Freilassung der politischen Gefangenen und die Aufhebung der Apartheid. Forderungen, denen das Apartheidregime keinesfalls nachgeben wird. Trotz steigender Ausgaben wendet das Apartheidregime immer noch achtmal mehr für weiße wie für schwarze Schüler auf. Kommt in den Schulen der Weißen ein Lehrer auf 19 Schüler, so beträgt das Verhältnis in schwarzen Schulen 1:41. Das Nationale Krisenkomitee (NECC), das der Vereinigten Demokratischen Front (UDF) nahesteht und von Eltern, Lehrern und Schülern gebildet wurde, kommentierte dann auch: „Die Regierung scheint fest entschlossen, die letzten Reste unseres Bildungssystems auch noch zu zerstören. Es ist deutlich, daß die Politik der Regierung gescheitert ist. Wenn unsere Kinder überhaupt noch eine Erziehung haben sollen, dann muß diese Erziehung vom Volk selbst kontrolliert werden.“ Ken Andrew, Sprecher der liberalen Progressiv–Föderalen Partei, nannte die Schließung der Schulen einen „Akt der Verzweiflung“. Das DET hatte schon seit einiger Zeit mit der Schließung von Schulen gedroht, falls sich die Situation nicht normalisieren sollte. Doch die Behörden haben ihrerseits wenig zur Normalisierung beigetragen. Eine vom NECC einberufene Konferenz hatte nach den Schülerstreiks Anfang des Jahres alle Schüler zur Rückkehr in die Schulen aufgefordert. Zwar kehrte nicht sofort Ruhe in den Schulen ein, doch nach monatelangen Unruhen und Boykotts war zumindest eine Verbesserung der Situation abzusehen. Doch als die schwarzen Schulen nach der Verhängung des Ausnahmezustandes Anfang Juli für das dritte Quartal eröffnet wurden, hatte das DET infolge des Ausnahmerechts scharfe Restriktionen verhängt. Schüler erhielten neue Ausweise, die an den Schultoren vorgezeigt werden mußten. Viele Schulen wurden ständig von Soldaten bewacht. Außerdem wurden den Behörden neue Vollmachten gegeben. Die Schließungen dieser Woche zeigen, daß selbst in dem bisher verhältnismäßig liberalen Bildungsministerium die Unterstützer einer härteren Gangart endgültig die Oberhand gewonnen haben. Vor allem aber wächst die Verärgerung in der schwarzen Bevölkerung, für die eine Schulbildung die wichtigste Voraussetzung für eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse ist.