Valeria, Marie, Sabine, Fabienne

■ Biennale: Die Jury hat Valeria Golino geehrt, unser Korrespondent ist unzufrieden

Aus Venedig Arno Widmann

Die Jury hat gesprochen: Der Goldene Löwe für Le rayon vert (Der letzte grüne Sonnenstrahl) von Eric Rohmer. Der große Sonderpreis wurde zu gleichen Teilen an den russischen Beitrag von Serghej Solvev Die wilde Taube und an Liebesgeschichte von Francesco Maselli vergeben. Als beste Schauspielerin wurde Valeria Golino für ihre Rolle in Liebesgeschichte prämiert, als bester Schauspieler Carlo delle Piane für seine Leistung in Weihnachtsgeschenk von Pupi Avati. Der Silberne Löwe für das beste Erstlingswerk ging an Der Film des Königs von dem Argentinier Carlos Sorin und der Sonderpreis an Oddvar Einarson X (Norwegen). Es ist mir wieder nicht geglückt, alle von der Jury prämierten Filme zu sehen. Den russischen Beitrag hatte ich mir geschenkt: Sozialistischer Humanismus, der auf die Taube gekommen ist, das kam mir bekannt vor. Uns Journalisten erleichtert das allerdings nicht gerade die Arbeit. Man könnte jetzt genüßlich die Argumente für jede einzelne Entscheidung, Stück für Stück auseinandernehmen. Sicher auch zum Vergnügen des Lesers. So bleibt nur zu sagen, daß den Goldenen Löwen nur Rohmer verdient hatte, während alle anderen Entscheidungen von Blinden gefällt zu sein scheinen. Ach Arno, Du sprichst mir aus der Seele d.L. Valeria Golino spielt eine Achtzehnjährige, die ihr eigenes Leben und das ihrer beiden Männer in die Hand nimmt. Eine Mutter Courage, meinten hier einige. Eine Mutter Courage ohne Kinder, 18 Jahre alt. Das Mädchen muß sterben. Das tut sie dann auch. Gründlich. Fünf Minuten lang. Solange braucht sie, um sich vom Dach des von ihr wieder bewohnbar gemachten Hauses zu stürzen. Die Golino spielt das gut. Aber sie spielt es. Angestrengt und anstrengend. Dabei waren so großartige Frauen zu sehen. Sabine Azema in Resnais Melo und in Doillons La Puritaine. Oder Bulle Ogier in Mein Fall von Manoel de Oliveira oder Rohmers Hauptdarstellerin Marie Riviere. Hätte ich den Preis zu vergeben, er ginge an Fabienne Babe in Ken Loachs Vaterland. Keine Schauspielerei, kein Theater, sondern Ausstrahlung, filmische Wirkung. Das ist vielleicht keine Leistung - aber es fasziniert. Es schlägt durch. Die Jury hat Fabienne Babe offenbar nicht gesehen, was mich nicht sonderlich wundert. Fabienne Babe wird in dem Film versteckt. Unter 10.000 Klischees.