Schwierige Antworten

■ Zur Zwangssterilisation von geistig Behinderten

Zwangssterilisation - das Wort hat einen solch gewalttätigen Beiklang, daß spontane Empörung ihre Berechtigung hat. Für uns Deutsche mit unserer nationalsozialistischen Vergangenheit gilt das allemal. Doch ob diese Empörung angesichts der in Berlin laufenden Ermittlungen wegen der Sterilisation von geistig Behinderten nicht auch einen heuchlerischen Beigeschmack hat, muß oder darf zumindest gefragt werden. Die Frauen sollen selbst bestimmen können, ob sie ein Kind bekommen oder nicht, egal, ob gesund oder krank. Was aber, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, eine Entscheidung zu treffen? Wie haben wir zu reagieren, wenn die Diagnose lautet, daß das noch ungeborene Kind eine schwere Behinderung aufweisen wird? Können wir die radikale Position, die jeden Eingriff ohne die Zustimmung des Patienten für unzulässig erklärt, durchhalten? Eindeutig kann zur Zeit nur eine Antwort sein: Der klammheimliche und wohl übliche Gesetzesbruch muß beendet werden. Entscheidungen, die so zentral in das Persönlichkeitsrecht eingreifen, müssen heraus aus der Grauzone privater Absprachen. Forderungen nach einer klaren gesetzlichen Regelung würden das Problem jedoch nicht lösen. Nur mit einer enttabuisierten öffentlichen Diskussion ist eine Lösung zu finden. Sie allerdings darf sich nicht nur um die Frage drehen, nach welchen Modalitäten sterilisiert oder abgetrieben werden darf. Konsequent und offen geführt ist möglicherweise ihr Ergebnis die Bestätigung der radikalen Lösung: Keine Eingriffe ohne die ausdrückliche Zustimmung durch Betroffene. Raul Gersson