Ein Festival für Hamburgs Wahlkampf

■ „Festival der Frauen“ als werbewirksames Aushängeschild / Autonome Frauenprojekte gingen leer aus

Frauenwoche, Diskussionsforum, Kongreß, Begegnungsstätte oder einfach ein Fest - das alles ist das Festival der Frauen in Hamburg nicht, das am 23. August begann und in der kommenden Woche zu Ende geht. Stattdessen eine Veranstaltungsreihe mit hochkarätigen Künstlerinnen, eines von vielen Festivals, mit denen Hamburg sein Image aufpolieren will. Das mag der Hansestadt in der Hotel– und Gastronomiebranche sowie bei den Wählern, die im November in Hamburg zur Wahlurne gehen, gelingen; nicht aber bei alen Frauen.

Das nächste Festival, die „Iberoamericana“, ein gigantisches Wirtschafts– und Kulturspektakel, hat bereits begonnen, während das der Frauen noch läuft. Hamburg kann sich dieses Jahr vor Festivals kaum retten; der Wahlkampf spielte dabei keine geringe Rolle. 500.000 DM als Zuschuß aus Wirtschaftssondermitteln waren die Frauen dem Hamburger SPD–Senat wert, soviel bekam die Festival–Leitung mit der bewährten Organisatorin Irmgard Schleier. Standort–Topf nennt sich dieser Wirtschafts–Sonderfonds in Hamburg. Ihn gibt es erst den zweiten Sommer, seitdem man erkannt hat, daß sich mit Kultur die Menschen in die Innenstadt locken lassen und sich damit vortrefflich Geld machen läßt. Nebenbei könnte das landesweite Stimmungsbarometer mit Tendenz „Hoch im Norden“ ausschlagen. Wenig Politik Fast alle Veranstaltungen des Frauenfestivals waren ausverkauft, die Bilanz ist bisher positiv, wie die Veranstalterinnen sagen. Irmgard Schleier, die Schauspielerin Eva Mattes und Helene Vida– Liebermann gehören zu ihnen, Unterstützung fanden sie vor allem in SPD–Kreisen; die Leitstelle zur Gleichstellung der Frau war natürlich vom Festival angetan. Über das Festival wurde das Motto der Weltfrauenkonferenz in Nairobi „Für Gleichberechtigung. Gegen Hunger und Armut. Für Frieden.“ gestellt, das Eröffnungskonzert der Volkssängerinnen mit Mercedes Sosa, Maria Farantouri, Giovanna Marini und Audrey Moutang war Winnie Mandela gewidmet. Die Witwe des ermordeten chilenischen Volkssängers Victor Jara, Joan Jara, las aus ihrem Buch, die Hamburger Sängerin Donata Höffer begleitete sie mit Liedern Jaras. Der politische Teil war damit weitestgehend abgehakt. Im Zentrum des Festivals, das in dem Sinn keines war, stand das künstlerische Potential der einge ladenen Frauen. Die Konzerte, Lesungen, Aufführungen fanden alle an verschiedenen Orten statt, mal lag eine Woche zwischen den Veranstaltungen, mal folgte Tag auf Tag eine. Ein Cafe oder eine Begegnungsstätte, ein Theater oder eine Halle als tatsächlicher Standort und Anlaufpunkt waren nicht vorgesehen. Eine Vernetzung frauenkünstlerischer Aktivitäten? Eine Carla Bley oder eine Elisabeth Schwarzkopf haben dafür sicher keinen Bedarf. Frauenpolitische Diskussion? Die Veranstalterinnen hatten daran offensichtlich kein Interesse. Konzentrierte Kunst von Frauen? Das gefilterte Konzentrat - so manche berühmte Künstlerin wie Teresa Berganza, Christa Wolf, Marguerite Duras hatten abgesagt - auf drei Wochen verteilt, war mancher nicht gut genug, mancher zu gut, für andere zu teuer. Selektive Geldverteilung Denn die Rechnung wurde ohne die Hamburger Frauen gemacht. Denn während der Hamburger Senat mal eben eine halbe Million für ein Frauenfestival über die Kante schiebt, wurde der Etattitel Frauenkultur dieses Jahr um 20.000 DM auf 100.000 DM runtergekürzt, dürfen sich Hamburgs Frauenprojekte um 0,04 des Gesamthaushalts schlagen. Viele Frauenprojekte besitzen sowieso keinen Haushaltstitel und zehren stattdessen von unbezahlter Arbeit oder ABM–Stellen. Bereits im Vorfeld murrten die autonomen Frauen, was Festival–Leiterin Irmgard Schleier nur mit der Bemerkung kommentierte: „Wir nehmen Euch doch nichts weg.“ Leider hat sie Recht. Das Frauenreferat der Hamburger Grün– Alternativen protestierte aufs Schärfste gegen das geplante SPD–Wahlkampf–Spektakel und lehnte eine Beteiligung im Beirat des Festivals ab. Hamburgs autonome Frauenprojekte reagierten mit einer ironischen „Festgeleitschrift“ zum Festival (siehe Kasten) und einem für Ende des Monats vorgesehenen Diskussions abend, an dem „die frauenpolitischen Maßnahmen des Senats auf dem Prüfstand“ stehen. Göttin sei Dank haben sie nicht noch eines der ebenfalls in Mode gekommenen Gegen–Festivals ausgerufen. Zu manchen Veranstaltungen kamen sie mit Transparenten, auf denen sie gegen die teure Frauenkultur protestierten. Einmal sangen sie sogar in einem autonomen Frauenchor, nachdem ihnen der Durchbruch an der Kasse zu „Hammonia“, einem derben Volksspektakel auf Hamburgs Schutzgöttin gelungen war. Zu diesem Durchbruch verholfen hatte ihnen aber auch die Fälschung von 1000 Eintrittskarten für „Hammonia“, die an viele Hamburger Frauenprojekte verschickt worden waren. Die Aktion war allerdings vorher aufgeflogen, da eine Frauen–Arbeitsloseninitiative die Eintrittskarten empört an das Festival–Büro zurückgeschickt hatte mit der Begründung: Von Euch wollen wir nichts umsonst. Umsonst ist nichts, die Eintrittspreise lagen bei duchschnittlich 20 DM. Einige der Künstlerinnen hätten sicher auch ohne dieses Festival, im Rahmen einer Tournee, den Weg nach Hamburg gefunden. Andere wie Elisabeth Schwarzkopf, die einen klassischen Liederabend moderierte, hatte mit einem Frauenfestival nichts am Hut, wie sie sagte. Sie kam aus Freundschaft mit Helene Vida–Liebermann. Feministische Qualitäten Ja, kein feministisches Ghetto, sagt auch Heleene Vida–Liebermann, dennoch hatten einige Veranstaltungen feministische Qualität: Die Clownin Gardi Hutter aus der Schweiz, die als Donna Quichotte der Wäscherinnen mit einem Haufen Dreckwäsche und dem Waschzuber kämpft. Die Lesungen mit Christine Brückner, Luise Rinser, Irmtraut Morgner und die verlesenen Texte von Christa Wolf und Marguerite Duras, die Schmerz und Tiefe ausloteten. Giovanna Marini, die italienische Volksliedforscherin, mit ihrem weiblichen Vokalquartett, die groteske Geschichten von Frauen erzählte. Am kommenden Montag wird ein Requiem für zwei Chöre von Giovanna Marini als Abschlußkonzert des Frauenfestivals zur Uraufführung kommen. Und das Orchester der Frauen, dirigiert von der Schweizerin Silvia Caduff, das ausgerechnet Beethovens „Eroica“ konzertierte und die Klarinettistin Sabine Meyer bei Mozarts Klarinettenkonzert begleitete. Und obwohl erst der Frauenzirkus Cirque de Barbarie abgesagt hatte, kommt er nun doch für zehn Tage in die Hansestadt. Am liebsten möchten die Veranstalterinnen alle zwei Jahre solche Festivals machen, eine richtige „Biennale der Frauen“. Denn schließlich hätten sie sich ja schon seit Jahren um Frauenkultur verdient gemacht, sagt Irmgard Schleier. Die Stadtväter werden sicher weiter festivalisieren und superlativieren, doch kann es sein, daß die Frauen als werbewirksames Aushängeschild der Hansestadt bald ausgedient haben. Eines hat Hamburg noch nicht begriffen: Daß die Austauschbarkeit von Festivals - der Titel wird schließlich hoch und vielseitig verwendbar gehandelt - der Stadt keinen Namen macht. Sabine Seifert