„Einer flog übers Kuckucksnest“

■ In Rheinland–Pfalz beschloß der Landtag erstmals gesetzliche Regeln für den Maßregelvollzug / Mehr Rechte für psychisch kranke Straftäter / SPD lehnt Gesetz ab / Neue Regelung als unzureichend bezeichnet

Aus Mainz Felix Kurz

Der rheinland–pfälzische Landtag verabschiedete jetzt ein Gesetz zum Maßregelvollzug, mit dem zum ersten mal in der Geschichte des Bundeslandes die Rechtsstellung und der Rechtsschutz von verurteilten Straftätern, die in psychiatrischen Anstalten oder Entziehungsanstalten untergebracht wurden, geregelt wurde. Donnerstagabend im Mainzer Landtag: Kurt Beck, SPD–Fraktionsgeschäftsführer begründet einmal mehr vor fast leeren Rängen, warum er und seine Partei für ein „Landesgesetz über den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln“ initiativ geworden sind. Hinter diesem befremdlich klingenden Namen verbirgt sich die rheinland–pfälzische Variante von „Einer flog übers Kuckucksnest“. Nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes werden psychisch Kranke, geistig Behinderte sowie Suchtkranke im Falle der Straffälligkeit zu einer Maßregel der Besserung und Sicherung verurteilt. Der Vollzug findet dann in der Regel in einem psychiatrischen Krankenhaus statt. Ein geistig Behinderter, der einen Diebstahl begangen hatte, wurde nicht etwa wie der „normale Bürger“ mit einer Geld– oder Freiheitsstrafe belangt, sondern verschwand für mehrere Jahre in der „Klapse“. Nur ein Beispiel aus der bisherigen Praxis. Ob Sexualstraftäter, geistig Behinderter oder Drogenabhängiger, sie alle konnten schon mal in einer Gruppe ohne besondere Einzeltherapie „regelrecht zusammengesteckt“ werden. Es gab für die allein in Rheinland–Pfalz jährlich über 200 Betroffenen keinerlei einklagbare Rechtsansprüche. Zwar hatte der Bund nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts anfang der 70iger Jahre 1976 ein Strafvollzugsgesetz erlassen. Doch die von den sogenannten Maßregeln verfolgten Bürger(innen) vergaß man elegant und betraute dann die Bundesländer mit einer gesetzlichen Regelung. Mit dem neuen Gesetz erhalten die Eingeschlossenen Rechtsansprüche auf medizinische, psychotherapeutische und soziale Hilfen. Es gibt eine einklagbare Besuchsregelung genauso wie das Recht, Briefe oder Telegramme zu schreiben, die Möglichkeit, Telefonate zu führen und das Recht auf Einsicht in die eigenen Krankenakten. Behandlungspläne müssen jetzt innerhalb von sechs Monaten erstellt und jährlich überprüft werden. Der Betroffene hat dazu den Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Allerdings lehnte die CDU– Mehrheit hierbei eine gesetzliche Beiordnung ab. Was nun in Rheinland–Pfalz sage und schreibe 10 Jahre währte, ist nach Ansicht von Kurt Beck „noch lange nicht gut“. Zwar hat er dieses Gesetz 1984 mit einer großen Anfrage angeleiert, doch am Donnerstag stimmte seine Fraktion mit ihm gegen das Werk. Denn viele Regelungen existieren nur als Soll–Vorschriften und nicht als Muß–Vorgaben. Auch die Installierung von Anstaltsbeiräten lehnte die schwarze Mehrheit ab. Für Kurt Beck ist man damit auf dem „halben Wege stehengeblieben“, auch wenn die jetzige Regelung, von denen es vergleichbare in Hessen und Nordrhein–Westfalen gibt, seiner Meinung nach ein Fortschritt sei. In vielen Bundesländern fehlen jedoch bis heute derartige gesetzliche Vorschriften.