IGBE:Moderater Abschied vom AKW

■ Der Chef der IG Bergbau und Energie macht keine Aussagen zu konkreten Projekten / Bergleute wollen eine Montanmitbestimmung in allen Großbetrieben / Sofortiger Boykott für südafrikanische Kohle gefordert

Von Jakob Sonnenschein

Duisburg (taz) - Für eine „aufrichtige Diskussion über das Für und Wider der Kernenergie“ hat sich der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE), Heinz–Werner Meyer, eingesetzt. Vor den 300 Delegierten des 17. Gewerkschaftstages seiner Organisation deutete der einstige Befürworter der Atomenergie am Freitag in Duisburg mit vorsichtigen Worten eine politische Kehrtwende an. Für die IGBE, die in der Vergangenheit bei jeder Gelegenheit für eine Energieversorgung aus Kohle– und Atomenergie geworben hatte, geht dieser bedeutende politische Schwenk offenbar ohne eine innere Zerreißprobe über die Bühne. Kaum einer, der dem Vormann während der Diskussion ernsthaft widersprochen hätte. Der neue Kurs ist für die Gewerkschaftsspitze - H. W. Meyer stimmte als Mitglied der Hauff–Kommission für das SPD– Ausstiegskonzept - auch aus organisationsegoistischen Gründen leichter vermittelbar, als etwa innerhalb der ÖtV. IGBE–Mitglieder im Braunkohlebereich sehen sich direkt von dem Ausbau der Atomenergie bedroht. So ging die Stromerzeugung aus Braunkohle von 1984 bis 1985 um 6 Mrd. KWh zurück, während die Stromerzeugung aus Atomenergie im selben Zeitraum um 23 Mrd. KWh anstieg. Ursache für den Rückgang der Braunkohleförderung sei, so Meyer, „einzig und allein der gesunkene Absatz an die Kraftwerke des RWE“. ALs Meyer danach die volkswirtschaftlich „verheerenden Folgen“ beschwörte, für den Fall, daß „die insgesamt teurere Atomenergie die insgesamt billigere Braunkohle verdrängt“, rührte sich im Saal jede Hand zum Beifall. Klare Formulierungen im Hinblick auf die fertiggestellten Atomkraftwerke vermied Meyer indes. Wenn Mülheim–Kärlich und Brokdorf ans Netz gingen, werde das die „Braunkohle unmittelbar treffen und die Steinkohle an den unteren Rand der vertraglich zulässigen Bandbreite der Abnahmemengen drücken“. Die Forderung der Nichtinbetriebnahme der beiden Anlagen folgt daraus für Meyer aber nicht. Mit knappen Mehrheiten ist für ihn - im Sinne der neuen SPD– Sprachregelung - ein Verzicht auf Atomenergie nicht durchsetzbar. Die „Chancen für einen Konsens“ seien aber nicht ausgeschlossen. Scharf wandte sich der Gewerkschaftsführer gegen die zunehmenden Kohleimporte aus Südafrika, die sich seit 1979 verdreifacht haben. Die IGBE fordert den Boykott der Kohle - zusammen mit „unseren schwarzen Kollegen“. Von der Bundesregierung verlangt die IGBE einen „Gesetzentwurf zur dauerhaften Sicherung der Montanmitbestimmung“ und die Einführung der paritätischen Mitbestimmung für alle Großunternehmen.