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Atomfestung Hanau vor Schließung ?

■ Das Geulen–Gutachten zu den Atomfabriken sorgt in Wiesbaden für Furore / Arbeiten die Atomfabriken seit 1960 illegal? / Sondersitzung des RBU–Aufsichtsrates / Das hessische Wirtschaftsministerium „prüft“

Von Klaus Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Wiesbaden (taz) - Eine Expertise des Berliner Rechtsanwaltes Reiner Geulen, über die Hanauer Nuklearfirmen NUKEM, ALKEM und RBU, sorgt derzeit für Furore. Danach arbeiten die Atomfirmen seit 1960 illegal. Wichtige atomrechtliche Genehmigungen fehlen. Während das zuständige hessische Wirtschaftsministerium das Gutachten zur Zeit noch einer „umfangreichen Prüfung“ unterzieht, gingen die Grünen bereits in die Offensive: „Der Wirtschaftsminister muß jetzt ein Verfahren zur Stillegung dieser Skandalfirmen einleiten“, meinte gestern der Atomexperte der Landtagsgruppe, Franz Jakob, im Gespräch mit der taz. Es sei „außerordentlich wichtig“ gewesen, so Jakob weiter, daß Geu len explizit dargestellt habe, daß illegal errichtete Atomanlagen nicht dem atomgesetzlich garantierten „Bestandsschutz“ unterworfen seien: „Das muß auch ein Herr Wallmann respektieren“. Die Atomfestung Hanau könne jetzt „geschleift“ werden. Für Hessens Wirtschaftsminister Ulrich Steger erklärte dessen Pressesprecher Raack, daß das Atomgesetz die Schließung einer atomaren Anlage für den Fall, daß „bestimmte Auflagen“ nicht erfüllt wurden, zwingend vorschreibe. Raack erinnerte daran, daß das hessische Wirtschaftsministerium in bezug auf Atomanlagen „in Bundesauftragsverwaltung“ handele. Zwar sei man befugt, Stillegungen von Atomanlagen anzuordnen, doch habe der „oberste Atomminister“ Walter Wallmann Weisungsrecht. Die Expertise Geulens geht weit über die Vorwürfe hinaus, die Bürgerinitiativen und Grüne seit Jahren gegen die Hanauer Atomfirmen NUKEM, ALKEM und RBU erheben. So stellt Geulen fest, daß die Hanauer Brennelementeschmieden nicht erst seit der Änderung des Atomgesetzes (1975), sondern bereits seit der NUKEM–Gründung 1960 „illegal“ arbeiteten. NUKEM sei damals ohne jede Errichtungsgenehmigung „hochgezogen“ worden. Nach der Änderung des Atomgesetzes, das seit 75 eine Beteiligung der Öffentlichkeit an atomaren Genehmigungsverfahren zwingend vorschreibt, hätten die Atomfirmen auf keinen Fall weiterproduzieren dürfen, denn der Betrieb illegal errichteter Anlagen unterliege nicht der Bestandsschutzgarantie des Atomgesetzes. „Absolut nichts“ mit dem Geulen–Gutachten habe die gestrige Aufsichtsratssitzung der Brennelementefabrik RBU zu tun gehabt, versicherte deren Sprecher Jend der taz auf Nachfrage. Demgegenüber hatte ein RBU–Vorstandsmitglied am Montag erklärt, daß die bekannt gewordene 2/3–Beteiligung der „RBU–Mutter“ KWU an der US–amerikanischen Firma Exxon–Nuclear, die Brennelemente für Leichtwasserreaktoren herstellt, Gegenstand der Diskussionen im Aufsichtsrat sein sollte. Bislang blieb also offen, ob sich die KWU - mit der Mehrheitsbeteiligung an Exxon - ihre Brennelemente demnächst von der Exxon zusammenschmieden lassen will, falls der Hanauer Betrieb RBU tatsächlich über den „politischen Jordan“ gehen sollte.

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