Trotz neuer Störfälle Cattenom abgesegnet

■ Probebetrieb des AKW unterbrochen / Deutsch–Französiche Sicherheits–Kommission gibt OK für Cattenom / Öko–Institut: Unfälle gravierend

Aus Mainz Felix Kurz

Pünktlich zur Bekanntgabe des Berichtes der Deutsch–Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen (DFK) in Mainz wurden gleich zwei neue Störfälle aus dem französischen Atomreaktor Cattenom in der Öffentlichkeit be kannt. In der Nacht zum Dienstag soll es im Reaktorbereich des AKWs für eine Stunde einen Stromausfall gegeben haben. Das wurde aus der Umgebung des saarländischen Umweltministers Jo Leinen, der sich gestern in Mainz aufhielt, bestätigt. Weiter soll bereits am vergangenen Freitag ein Kabel der Druckhalterheizung im Primärkreislauf aufgrund mangelhafter Isolierung durchgeschmort sein. Daraufhin wurde nach Angaben des Betreibers, der Electricite de France (EdF) der Probebetrieb erneut unterbrochen. Weder die Präfektur in Metz noch die saarländische Landesregierung wurde über den Störfall von dem Energieunternehmen informiert. „Gänzlich belanglos“ sei der Zwischenfall gewesen, hieß es von seiten der EdF. Auf einer Pressekonferenz in Mainz erklärte jedoch Michael Sailer vom Öko–Institut Darmstadt, daß bei Normalbetrieb derartige Unfälle „nicht ganz ungefährlich“ seien. So regele die Druckhalterheizung den Druck im Reaktor. Würde dieser sich plötzlich absenken oder steigen, trete eine sogenannte Notfallsituation ein, in der eine Reaktorschnellabschaltung notwendig wäre. Zu dem Störfall kam es, obwohl von den französischen Behörden eine neue Isolierung für die Kabel im Reaktorgebäude besonders für Cattenom verlangt worden war. Fortsetzung auf Seite 2 Gastkommentar auf Seite 4 Aus dem Kurzschluß hätte sich nach Überzeugung von Michael Sailer durchaus ein Kabel–Brand entwickeln können, wodurch möglicherweise „dann nichts mehr steuerbar“ gewesen wäre. Der Unterschied zwischen einem Kurzschluß mit dem Durchschmoren der Kabel und einem Kabelbrand liegt seinen Angaben zufolge nur in der zeitlichen Entdeckung des Störfalles. Auf einer Pressekonferenz des BUND Rheinland–Pfalz und des Öko–Instituts Darmstadt–Freiburg hieß es, die französischen Betreiber hätten „keinen Überblick über die Anlage“. Sicherheitstechnisch müsse man der Anlage „extrem mißtrauisch gegen überstehen“, erklärte der luxemburger Abgeordnete Jup Weber vor Journalisten. So habe man inzwischen den Eindruck gewonnen, daß die zeitlichen Angaben über den Wassereinbruch vor einigen Wochen falsch seien. Nicht am 23.8., sondern bereits drei Tage früher sei das Wasser in den Keller des Reaktorgebäudes eingedrungen, nur habe man es sage und schreibe vier Tage lang nicht bemerkt. Allerdings hätte es das Bedienungspersonal bemerken müssen, so Sailer, der die Anlage nach dem Störfall besichtigt hatte. Dafür habe es mehrere Indizien gegeben, doch niemand reagierte in dem AKW offensichtlich auf den Wassereinbruch. Auf einer Pressekonferenz in Mainz gaben die Proteges des umstrittenen Atommeilers in Cattenom in Gestalt der beiden Vorsit zenden der DFK, Adolf Birkhofer, gleichzeitig Vorsitzender der deutschen Reaktor–Sicherheitskommission, und Francois Cogne, Vorsitzender der Groupe Permante Reacteur, seinem französischen Pendant, erneut Glaubensbekenntnisse für den Reaktor ab. Sowohl die deutschen als auch die französischen Atomparks hätten ein „vergleichbares Sicherheitsniveau erreicht“, sagte Birkhofer. Sie seien jedoch in „den technischen Ausführungen unterschiedlich“. Trotzdem wollte Birkhofer sich für die Sicherheit Cattenoms nicht verbürgen. Wörtlich sagte er: „Ich verbürge mich nicht für die Sicherheit französischer Kernkraftwerke“. Seine Begründung dafür: er kennt die einzelnen Details bei den AKWs in Frankreich nicht. Aber er beurteilt seit Jahren die Sicherheit Cattenoms. Angesprochen auf die Frage, ob Cattenom überhaupt in der Bundesrepublik genehmigungsfähig wäre, wand sich Birkhofer mit der Formulierung heraus: „Was die Grundsätze betrifft, ja“. Einige Detailfragen müßte man dann konkret überprüfen, so Birkhofer. Francois Cogne sprach von den französischen AKWs als von den „sichersten der Welt“. Anders als bei Tschernobyl hätten die Franzosen die „Schnittstelle Mensch– Maschine“ durch bessere Ausbildung und Schulung des Personals im Griff. „Technisch gesehen“ bestünde „keinerlei Anlaß für Veränderungen“ in der französischen Atomtechnik. Man habe eine „echte Sicherheitskultur“ entwickelt. Einen Unfall könne zwar niemand ausschliessen, aber Cogne sieht keinerlei „gravierenden Unfall, der die Umgebung in Mitleidenschaft ziehen könnte“.