EG–Sanktionen lasch dank Bonn

■ Importstopp für Kohle aus EG–Maßnahmenkatalog gegen Südafrika ausgeklammert

Aus Brüssel Thomas Scheuer

Europa kläfft gegen die Apartheid, nachdem dem Sanktionsgebiß der schärfste Zahn gezogen wurde: Mit der Verhängung eines Importstopps für Eisenerz und Stahl aus Südafrika in die Europäische Gemeinschaft, der am 27. September in Kraft treten soll, endete am Dienstagnachmittag in Brüssel die zweitägige Tagung des EG–Außenministerrates. Ferner soll die Einfuhr südafrikanischer Goldmünzen sowie Neuinvestitionen europäischer Firmen in der Kap–Republik verboten werden; hier muß ein Ausschuß noch die Modalitäten regeln. Der bundesdeutschen Delegation unter Außenminister Genscher gelang es, ein Importverbot für Kohle, das Südafrika ökonomisch am härtesten getroffen hätte, aus dem zur Debatte stehenden Maßnahmenkatalog herauszuboxen. Damit bleibt der Brüsseler Sanktionsbeschluß weit hinter den Maßnahmen zurück, die die EG–Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen im Juni in Den Haag für den Fall erwogen hatten, daß die Botha–Regierung nicht innerhalb von drei Monaten die politischen Gefangenen freilassen und einen politischen Dialog mit der Opposition zur Überwindung der Apartheid eröffnen würde. Vor allem die Holländer pochten nun mit Unterstützung der Dänen und Iren auf eine harte Umsetzung des gesamten „Den Haager Pakets“, das neben Eisenerz, Stahl, Goldmünzen und Investitionen einen Importstopp für Kohle umfaßte. Fortsetzung auf Seite 6 Nach den Worten von Bonns Außenamtschef Genscher hat die Bundesregierung zwar mittlerweile ihre bisher geltend gemachten „prinzipiellen Bedenken gegen Wirtschaftssanktionen überwunden“, lehnt aber einen Kohleboykott bedingungslos ab, da er als härteste aller Maßnahmen „zu verheerenden Folgen für Zehntausende schwarzer Arbeitnehmer in Südafrika und aus den Nachbarländern“ führe. Als wichtigster Handelspartner Südafrikas nimmt die Europäische Gemeinschaft rund 60 Prozent der südafrikanischen Exportkohle ab; die Bundesrepublik davon 30 Prozent, was wiederum etwa 30 Prozent der gesamten bundesdeutschen Kohleeinfuhren ausmacht. Da diese Menge jedoch nur knapp 2,6 Prozent des westdeutschen Gesamtverbrauchs ausmacht, ist - wie Genscher selbst betonte - der Kohleboykott aus der Sicht der Bundesregierung keine wirtschaftliche, sondern eine politische Frage. Gegen einen Kohleboykott war auch die Regierung Portugals eingetreten, da sie Nachteile für mehrere zehntausend Wanderarbeitnehmer aus ihrer ehemaligen Kolonie Mozambique, die in den südafrikanischen Minen arbeiten, befürchtete. Gerade wegen der ökonomischen Bedeutung der Kohle– Exporte für das Rassisten–Regime am Kap hatten die Niederlande bis zuletzt auf diese Maßnahme insistiert: Ein Sanktionsbündel ohne Kohle bleibe rein symbolisch. Letztlich verließ die niederländische Delegation jedoch ihre Position des „alles oder nichts“ und stimmte einer Kompromißformel des britischen Ratsvorsitzenden Sir Geoffrey Howe zu, wonach dieser sich weiterhin um einen Konsens innerhalb und außerhalb (mit den USA, Canada, Australien, Japan und Neuseeland) der EG in der Kohle–Frage bemühen will. „Die Mehrheit der Anwesenden hätte es lieber gesehen, wenn alle Maßnahmen (von Den Haag, d. Red.) angewandt worden wären“, erklärte der nicht gerade als Sanktionsfanatiker verschrieene Sir Howe gegenüber Journalisten. Der Diskussionsverlauf sei „schlimm genug“ gewesen. Da Sanktionen ohne positive flankierende Maßnahmen sinnlos seien, so Howe, hat der Rat auch - allerdings noch nicht konkret benannte - Hilfsmaßnahmen für die südafrikanische Opposition beschlossen. Die EG will eine internationale politische Initiative ergreifen mit dem Ziel, alle südafrikanischen Parteien unter Einschluß des ANC doch noch zwecks Dialog zur Überwindung der Rassentrennung an einen Tisch zu bekommen - notfalls außerhalb des Landes.