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Handfester Krach um IGM–Betriebsratspolitik

■ Zum Auftakt der neuen Arbeitszeitrunde genehmigen IG Metall–Betriebsräte von Daimler Ausweitung der Nachtarbeit Oppositionelle „plakat“–Betriebsräte sprechen in Offenem Brief von „Signalwirkung“ und „Scheinheiligkeit“ im Flexibilisierungs–Konflikt

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Rechtzeitig zur Kündigung des Tarifvertrages zur 38,5–Stunden–Woche durch die Tarifkommission des IG Metall– Bezirks Baden–Württemberg am Mittwoch ist in der größten und wichtigsten Verwaltungsstelle des Bezirks, Stuttgart, ein handfester Krach über die Betriebspolitik der IGM–Betriebsräte bei Daimler–Benz/Untertürkheim ausgebrochen. „Wer heute flexiblen Arbeitszeiten und Nachtarbeit zustimmt, kann morgen nicht glaubhaft dagegen ankämpfen“, schrieben die Betriebsräte der unabhängigen „plakat“–Gruppe in einem Offenen Brief an die „Kolleginnen und Kollegen von der IGM Stuttgart“ mit dem Zusatz „z.Hd. Kollege Klaus Zwickel“. Das zukünftige Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der IG Metall, Klaus Zwickel, ist damit kurz vor dem Ende seiner Amtszeit als Bevollmächtigter der mit mehr als 100.000 Mitgliedern größten Verwaltungsstelle der Industriegewerkschaft Metall noch einmal mit einem Problem konfrontiert, das ihn begleitet, seit er vor Jahren auf seinen derzeitigen Posten gerückt ist: der eigenwilligen Politik der Betriebsräte in allen Großkonzernen, die sich allzu häufig an den Interessen des Konzerns statt an der Beschlußlage der Gewerkschaft orientieren. In dem Offenen Brief der oppositionellen Betriebsräte von „plakat“ wird darauf hingewiesen, daß in immer mehr Bereichen bei Daimler „neben Überstunden, Pausendurchfahrten und Samstagsarbeit 3 x 8– und 2 x 10–Stunden– Schichten gefahren werden“. Und dies erfolge „in aller Regel mit ausdrücklicher Zustimmung der IGM–Betriebsräte“. In der ersten Septemberwoche hätten sie zugestimmt, daß 45 Beschäftigte der Zahnradfertigung in Hedelfingen von Anfang September bis Weihnachten 3 x 8–Stunden–Schichten fahren. Das bedeutet Arbeit rund um die Uhr, und für die Arbeiter alle drei Wochen Nachtschicht. Das gleiche sei genehmigt worden für 52 Arbeiter der Kurbelwellenfertigung in Untertürkheim - hier allerdings „gleich für das ganze Jahr 1987!“. Für die Achsenfertigung in Mettingen habe der Betriebsrat ein ganzes Paket abgesegnet, mit Überstunden, 2 x 10– Stunden–Schichten und Samstagsarbeit. „Wir brauchen nicht zu betonen, daß eine solche Betriebsratspolitik kurz vor der Tarifrunde, in der wir uns der Unternehmerforderung nach flexibleren Arbeitszeiten gegenübersehen, Signalwirkung hat“, heißt es in dem Offenen Brief. Dieses von den „plakat“–Betriebsräten angesprochene Problem sieht man in der Verwaltungsstelle Stuttgart auch. Aber trotzdem hält man den IGM–Betriebsräten die Stange: die Zustimmung zu diesen, auf einige wenige Bereiche beschränkten Maßnahmen sei notwendig gewesen, um die von Daimler für den gesamten Konzern geplante Flexibilisierung der Arbeitszeiten nach einem sog. Flexi– II–Programm ablehnen zu können. Schließlich habe Daimler berechtigterweise auf die Folgen bei einer Ablehnung der geforderten Einzelregelungen hingewiesen: Produktionsstörungen in anderen Bereichen bis hin zu zeitweiligen Betriebsstillegungen im Werk Sindelfingen. Vor der Einigungsstelle, so der IGM–Betriebsratsvorsitzende Funk und so auch der Sprecher der IGM–Verwaltungsstelle Stuttgart, Dautel, habe man angesichts dieser absehbaren Folgen einer Ablehnung durch den Betriebsrat wohl kaum Chancen gehabt. Dennoch, so räumte Dautel der taz gegenüber ein, sei es im Prinzip eine „gefährliche Sache“, Stück für Stück Flexibilisierungselemente zuzulassen. Die Mehrheit des Daimler–Betriebsrats habe sich womöglich zu schnell vom Management überzeugen lassen, habe ihre Druckmittel zu wenig genutzt. Die offizielle Politik der IG Metall sei, jede Flexibilisierung auf Kosten der Gesundheit und der Freizeitinteressen der Arbeitnehmer abzulehnen. Auch das vom Betriebsrat und Management angeführte Argument der Freiwilligkeit ist nach Meinung der „plakat“–Betriebsräte nicht stichhaltig. Offiziell würde zwar niemand zur Nachtarbeit gezwungen. Aber der Betrieb verfüge über genügend subtile oder handfestere Druckmittel, um der „Freiwilligkeit“ in den betroffenen Abteilungen nachzuhelfen. Der Hinweis der IGM–Betriebsräte auf die angebliche Freiwilligkeit sei nichts weiter als „Scheinheiligkeit“.

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