Abgeschobene im Libanon gefoltert

■ Die Folgen der umstrittenen Zurückweisung von Flüchtlingen durch den Bundesgrenzschutz (BGS) sind jetzt belegt / Libanesen wurden nach der Ankunft in Beirut entführt und gefoltert / Generalstaatsanwalt ermittelt gegen Zimmermann / BGS entscheidet über Asyl

Aus Hannover Axel Kintzinger

Libanesische Flüchtlinge, die von der Bundesrepublik im Sommer nach Beirut abgeschoben wurden, sind bereits kurz nach ihrer Ankunft im Libanon von Milizen entführt und gefoltert worden. Das bestätigte der Libanese Mahmoud Ahmad Mzaouak gegenüber der taz. Damit widerlegt er die Äußerungen des Berliner Innensenators Kewenig, der in der vergangenen Woche nach einer mehrtägigen Libananonreise behauptet hatte, abgeschobene Flüchtlinge hätten im Libanon nichts zu befürchten. Über das Schicksal der anderen etwa 60 vom BGS abgeschobenen Libanesen aus demselben Flugzeug ist derzeit nichts bekannt. Mzaouak berichtete, in Beirut gehört zu haben, daß zwei seiner Leidensgenossen kurz nach der Ankunft ermordet worden seien. Mzaoak selbst ist zusammen mit drei anderen Flüchtlingen, über deren Verbleib er ebenfalls nicht unterrichtet ist, entführt und gefoltert worden. Seine Aussagen werden bei der Strafanzeige gegen Innenminister Zimmermann und BGS–Amtsleiter Günther Nehring eine bedeutende Rolle spielen. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar S. 4; siehe auch S. 9 Nachdem ein erstes Ermittlungsverfahren gegen Zimmermann und Nehring, das die Helmstedter Rechtsanwältin Claudia Fittkow im Namen der niedersächsischen Landtagsfraktion der Grünen gestellt hatte, von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt wurde (die taz berichtete), reichte Frau Fittkow Anfang letzter Woche eine Beschwerde dagegen ein. Darüber ist nach Auskunft von Oberstaatsanwalt Rethemeyer bislang noch nicht entschieden worden, die Ermittlungen laufen daher formal wieder an. Die Beschwerde wurde von Frau Fittkow neben den neuen Informationen aus Beirut auch mit den ihrer Ansicht nach schlampigen Ermittlungen begründet. „Die Akteneinsicht“, schrieb die Anwältin an den Braunschweiger Generalstaatsanwalt Dr. Kintzi, „brachte Unglaubliches an den Tag.“ Um den Vorwurf der illegalen Abschiebung und der Freiheitsberaubung zu prüfen, habe der zuständige Staatsanwalt, so Frau Fittkow, „lediglich den Leiter der Grenzschutzstelle Helmstedt–Autobahn angerufen und sich erklären lassen, daß dort „selbstverständlich alles in Ordnung sei“. Dabei sei bekannt, „daß die aus ihrer Heimat geflüchteten Asylbewerber in aller Regel nicht mit ihrem Privatwagen über die Autobahn einreisen, sondern - wie in der Strafanzeige angegeben - per Bahn in Helmstedt– Bahnhof ankommen“. Nach Auskunft des BGS finden die von den Grünen als illegal bezeichneten Sofort–Zurückschiebungen in Helmstedt seit Beginn dieses Jahres statt. Überwiegend Libanesen sind von dieser Maßnahme betroffen. Insgesamt seien 1986, so der BGS, 449 Personen zurückgeschoben worden, davon allein im Juli 247. Im September ist die Praxis eingestellt worden. In Helmstedt ankommende Flüchtlinge werden zunehmend an Nachbarländer weitergeschoben. Die gesetzliche Grundlage dafür bietet der § 12 Abs. 1 des Ausländergesetzes. Wie der BGS in Braunschweig einer Grünen– Delegation am Dienstag bestätigte, übernimmt der Grenzschutz schon seit dem 1. August 1982 Aufgaben der Ausländerbehörden, indem seine Beamten den Flüchtlingen Anhörungsbögen über die Fluchtgründe aushändigen. Während der BGS dieses Verfahren mit personellen Unzulänglichkeiten bei den Ausländerbehörden begründet, können die Ausländerbehörden dies - nach Erkenntnis des Grünen–Abgeordneten Hannes Kempmann - nicht bestätigen. Seit die Zahl der Flüchtlinge im Juli gestiegen ist, vereinfachte der BGS das Verfahren, indem er den Asylsuchenden einen Fragebogen mit nur noch zwei Fragen aushändigte. Flüchtlinge, die nicht sofort wieder abgeschoben wurden und mit dem ausgefüllten BGS–Fragebogen den notwendigen Gang zur Ausländerbehörde machten, würden, so ein BGS–Vertreter zu den Grünen, dort nicht mehr angehört werden. Kempmann: „Damit ist der Bundesgrenzschutz eindeutig zur Asylentscheidungsinstanz geworden.“