I N T E R V I E W „Die notwendige Akzeptanz des Asylrechts bewahren“

■ Fragen an Dr. Axel Wernitz (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages

taz: Herr Wernitz, was sagen Sie zu dem großartigen Erfolg Ihres Kanzlerkandidaten Rau, der stolz darauf ist, daß durch seine Mithilfe den Asylsuchenden der Fluchtweg über Ost–Berlin von der DDR abgeschnitten wurde? Wernitz: Also zunächst mal hat sich die SPD immer dagegen gewehrt, daß man am Grundrecht auf Asyl herummanipuliert. Artikel 16/2 muß erhalten bleiben. Allerdings muß man auch darauf achten, daß die Akzeptanz des Asylrechts in der Bevölkerung erhalten bleibt. Und dies ist in Gefahr, wenn in großer Zahl nachweislich anders motivierte Ausländer hierherkommen, die sich nicht - und das zeigen die Anerkennungsquoten - auf das Grundrecht auf Asyl berufen können. Insofern ist die jetzt eingetretene Entwicklung durchaus ein Erfolg. Das ist sehr pragmatisch und ich finde, auch opportunistisch gedacht. Grundsätzlich wird doch hier ein verfassungsrechtliches Grundrecht ausgehebelt und die SPD macht mit. Also, ich muß nochmals auf die notwendige Akzeptanz hinweisen. Wir sind nun in der Tat kein Einwanderungsland und wir können auch nicht sämtliches Elend dieser Welt über die Bundesrepublik und West–Berlin lösen. Aber mal ganz konkret: Wie soll denn ein politisch verfolgter Iraner, dem der Henker im Nacken sitzt, jetzt noch zu seinem Asylrecht in der BRD kommen? Ich sehe durchaus das Problem. Wir haben diesen Zielkonflikt, was die Ursprungsländer angeht, für jeden einzelnen Betroffenen, das will ich gar nicht verkennen. Aber Sie müssen auch verstehen, und hier spreche ich aus meinen Erfahrungen im täglichen Dialog mit dem Bürger, daß ich mir Sorgen mache, daß auch bei gutwilligen und sensiblen Mitbürgern die Bereitschft schwindet, Asylsuchende aufzunehmen, daß die Akzeptanz für dieses Grundrecht, das wir unbedingt bewahren müssen, verlorengeht. Und dann können wir denen, die wirklich politisch verfolgt sind, auch nicht mehr helfen. Das ist die Strategie der Befriedung der Bürger. Man kann aber auch sagen, daß dadurch eine notwendige Diskussion und Auseinandersetzung verhindert wird. Rau praktiziert die Versöhnung mit dem Rassismus in diesem Land. Das ist in keiner Weise der Fall. Die Bundesrepublik hat doch in der Vergangenheit, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht, eine Menge getan und man muß auch in Zukunft eine Menge tun. Man muß hier gegen den Strom schwimmen, und das hat meine Partei in den letzten Wochen und Monaten doch getan. Und man muß zur Besonnenheit aufrufen. Aber wir können auch nicht sagen: Kommt alle her, die ihr mühselig und beladen seid. Die letzte Frage ist die nach dem guten Geschmack. Den Streit um die Urheberrechte bei der Aussperrung von Asylsuchenden finde ich widerlich. Sie können das widerlich nennen. Ich finde das kleinkariert, aber ich stelle auch mit Befriedigung fest, daß es hier Vernünftige in allen politischen Lagern gibt, die nicht in dieses Unterholz gehen. Interviewer: -man–