Bier: Enzyme zum Hopfen und Malz

■ Vorentscheidung beim EG–Gerichtshof: Bierimporte dürfen nicht dem deutschen „Reinheitsgebot“ unterworfen werden / Experte befürchtet negative Auswirkungen für den gesamten europäischen Lebensmittelmarkt

Von Imma Harms

Berlin (taz) - Das deutsche Bier bleibt rein. Doch importierte Getränke gleichen Namens dürfen vom deutschen Landwirtschaftsministerium nicht der gleichen strengen Norm - nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser - unterworfen werden. Das forderte EG–Generalstaatsanwalt Sir Gordon Slynn am Donnerstag in Luxemburg in seinem vermutlich entscheidenden Plädoyer. Der EG–Gerichtshof sieht in der entsprechenden Verordnung eine nicht zu rechtfertigende Wettbewerbseinschränkung. Die etwa 1.200 bundesdeutschen Brauereien werden sich also wohl damit abfinden müssen, daß der bisher geringe Marktanteil gelbbrauner Wässerchen aus Großbritannien, Dänemark oder den Ostblockländern weiter wachsen wird. Bis jetzt waren die ausländischen Hersteller gezwungen, zweierlei Bier zu produzieren, eines, das den eigenen und internationalen Markt bedient, mit Alginaten zur Schaumstabilisierung, Enzymen zum Eiweiß–Abbau, Konservierungsmitteln usw. und ein Bier speziell für den deutschen Markt, aus dem alle diese Stoffe verbannt sind. Umgekehrt haben auch viele deutsche Brauereien - mit Ausnahme der bayerischen - eine doppelte Produktion. Ihr exportiertes Bier paßt sich unter Verwendung aller möglichen, hierzulande diskreditierten Mittelchen den Geschmacks vorstellungen ausländischer Konsumenten an. Doch auch deutsche Brauereien könnten ihrerseits jetzt auf Gleichbehandlung klagen und damit das traditionsreiche deutsche Reinheitsgebot endgültig kippen. Weniger aus diesem Grund findet der Brauerei–Experte Dr. Schultze–Berndt von der TU Berlin die Konsequenzen des EG– Spruchs verheerend. „Der Bier– export wird immer eine untergeordnete Bedeutung haben, doch die Konsequenzen einer solchen Entscheidung für den gesamten übrigen Lebensmittelmarkt sind unabsehbar“, meint Schultze– Berndt gegenüber der taz. Viele landestypische Produkte, wie Baguettes in Frankreich oder Teigwaren in Italien, die in ihrem Heimatland strengen Reglementierungen unterliegen, könnten, sollte die Bier–Entscheidung Schule machen, durch schlechter zusammengesetzte Billigprodukte aus anderen Ländern vom Markt verdrängt werden. „Baguettes zum Beispiel dürfen in Frankreich vier Zutaten, in Großbritannien dagegen 64 Stoffe enthalten.“ Schultze–Berndt hätte es begrüßt, wenn es gelungen wäre, ein solch folgenreiches Urteil durch die „Harmonisierung“ der internationalen Bestimmungen (wie es etwa bei Mineralwasser gelungen ist) zu verhindern. „Weil die Politiker in Brüssel versagt haben, setzen jetzt die Richter in Luxemburg die Normen - und das sind die denkbar schlechtesten.“