Eigenwillige Fahndung in Moers

■ Unter Erfolgszwang begibt sich die Polizei am linken Niederrhein auf rechtliche Abwege / Heimliche Hausdurchsuchungen / Einschüchterungsversuche durch Anrufe bei Eltern und Arbeitgebern von Freunden

Aus Moers Corinna Kawaters

Als der Vater zweier politisch engagierter Brüder Anfang September vom Einkauf zurückkam, paßte sein Haustürschlüssel nicht mehr. Dafür hing ein Schild an der Tür - er könne sich den neuen Schlüssel bei der Polizeiwache abholen. Währen seiner Abwesenheit hatte die Polizei die Tür aufgebrochen und das Haus durchsucht. Moers, eine Kleinstadt am linken Niederrhein, galt jahrelang als so „ruhig“, daß Wolfgang Riedel, der für diese Gegend zuständige Beamte des Duisburger Politischen Kommissariats K14, nur zweimal wöchentlich anreiste, um die Post durchzusehen und die Flugblätter, die seine Kollegen eingesammelt hatten. Doch ange sichts der wachsenden Zahl von Anschlägen und Sabotageaktionen in der Bundesrepublik werden jetzt auch in Moers die Ermittlungen forciert. „Ausgelöst wurde die Sache wahrscheinlich, weil bei einer Nicaragua–Demo das CDU–Büro mit Farbeiern beworfen wurde“, vermuten die Besucher des Szenetreffpunkts „Libertäres Zentrum“, „da hat die CDU dann Druck gemacht, daß mal was passiert“. Jedenfalls trat Wolfgang Riedel von diesem Zeitpunkt an häufiger in Aktion: Ende August durchsuchte die Polizei die Wohnung von einem der genannten Brüder, während er in Urlaub war. Nur durch eine zufällig vorbeikommende Bekannte wurde die Durchsuchung überhaupt bemerkt, ein Protokoll oder einen Durchsuchungsbefehl gab es nicht. Diese zufällige Zeugin wurde gleich nach weiteren Bekannten des Wohnungsinhabers befragt, und von ihr wollten die Beamten wissen, ob der kaufmännische Angestellte Sabotage– Kreisen zuzurechnen sei. Offensichtlich hatte die Aktion nicht das erhoffte Ergebnis gebracht, denn kurz darauf fiel die Polizei bei dem Bruder und dem Vater des jungen Mannes ein. Während sie bei dem Vater noch rücksichtsvoll das Schloß ersetzten, zertrümmerten die Polizisten bei dem Bruder das Mobiliar. Doch trotzdem wurden sie nicht fündig, und jetzt versucht das K14 eine neue Taktik. Durch Anrufe bei Eltern und Arbeitgebern von Freunden der beiden Brüder oder durch Festnahme von der Straße oder Arbeitsstelle zu richterlichen Vernehmungen versucht die Polizei offenbar, den Bekanntenkreis der beiden Brüder einzuschüchtern, um Auskünfte über die Beteiligung an Strommast–Sabotageaktionen und Brokdorf–Widerstand zu erhalten. Der inzwischen eingeschaltete Anwalt hat zum Hintergrund der Polizei–Aktivitäten offiziell nichts erfahren, er konnte lediglich erreichen, daß Durchsuchungsprotokolle erstellt wurden. Und da geniert sich Wolfgang Riedel nicht, die zufällige Besucherin als Durchsuchungszeugin aufzuführen.