Nicht alle politischen Gefangenen frei

■ Kriegsdienstverweigerer im Hungerstreik

Entgegen den Darstellungen der polnischen Regierung sind bei der „General–Amnestie“ vor zehn Tagen nicht alle politischen Gefangenen freigelassen worden. Wie die der Solidarität nahestehende Pazifistengruppe „Freiheit und Frieden“ mitteilte, ist am Donnerstag der Wehrdienstverweigerer Wojciek Jankowski im Gefängnis von Wejherowo bei Danzig in den Hungerstreik getreten. Der 22jährige will damit seine Freilassung im Rahmen der Generalamnestie für politische Häftlinge erzwingen. Jankowski war nach seiner Verhaftung Ende letzten Jahres zu einer dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er den Kriegsdienst verweigert hatte. In einem Kommunique verlangte die Aktionsgruppe „Freiheit und Frieden“ die Freilassung aller inhaftierten Kriegsdienstverweigerer, die Einrichtung eines Zivildienstes außerhalb der Armee und die Streichung der Loyalitätserklärung an die Sowjetunion aus dem Diensteid der polnischen Rekruten. Unterdessen geht die Diskussion um den zukünftigen Arbeitsstil der Solidarnosc in Polen weiter. Am Samstag trafen sich in Warschau die führenden Vertreter der verbotenen Gewerkschaft, um das weitere Vorgehen nach der Amnestie zu diskutieren. Mit Lech Walesa, der wieder der Sprecher der Gruppe ist, trafen sich die entlassenen Gewerkschafter Borusewicz, Bujak, Jedynak und Lis, sowie frühere Berater der Solidarnosc, darunter Adam Michnik, Jacek Kuron und Tadeusz Mazowieki. Bei dem Treffen wurde darüber beraten, ob die Gewerkschaft nun wieder offen auftreten solle, oder im Untergrund bleibt und ihre Strukturen dort ausbauen könnte. Außerdem wurde eine mögliche Beteiligung an den „Gesellschaftlichen Räten“ diskutiert, die von der Regierung jetzt eingesetzt werden. In diesen Räten bekommen auch die katholischen Laien eine Stimme. Walesa erklärte jedoch nach dem Treffen, daß er von der Regierung bisher „keinerlei diesbezügliche Vorschläge“ bekommen hätte. Vorab weise er nichts zurück, doch werde die Entscheidung auch letztlich nicht von ihm allein getroffen. Vor seiner Abreise nach Asien hatte General Jaruzelski klargestellt, daß jeder Versuch unterbunden werde, die Solidarnosc wieder aufzubauen. Florian Bohnsack