Heftige Fraktionsdebatte um ADG

■ Grünen–Entwurf für Antidiskriminierungsgesetz nach zwei Diskussionsrunden vorgelegt / Mehrheit für ersatzlose Streichung des § 218 / Das Strafmaß für Vergewaltigung bleibt / Die Frage der Prostituition fällt raus

Aus Bonn Ursel Sieber

Das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) soll mit der Forderung nach einer ersatzlosen Streichung des § 218 in den Bundestag, und die Mindeststrafe für Vergewaltigung bleibt bei zwei Jahren, sexuelle Nötigung wird mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe belegt. Das beschloß die Grüne Fraktion am späten Dienstagabend nach einer zum Teil sehr heftig geführten Debatte. (Die taz berichtete ausführlich am 16.9.86). In der Frage der Prostitution ist allerdings auch beim zweiten Anlauf keine Einigung erzielt worden. Die Forderung nach einer Streichung der geltenden Sperrbezirksordnungen war innerhalb der Fraktion nicht konsensfähig. Die Paragraphen fallen nun ganz aus dem ADG heraus. Abgeordnete, die im ADG lieber eine Fristenlösung zum § 218 gehabt hätten, un terlagen mit 6:16 Stimmen. Die Abgeordnete Halo Seibold, eine Befürworterin der Fristenlösung, sagte, sie hätte Angst, daß „Abtreibung als Selbstverständlichkeit gilt“ und „daß es keine Hemmschwelle mehr gibt“. Sie sei nicht für das Recht auf Abtreibung. Die frühere Abgeordnete Marie–Louise Beck–Oberdorf bezeichnete es dagegen als „verrückt, daß ihr die Frauen vor sich selber schützen wollt“. Die Rechtsanwältin und ADG–Autorin Dagmar Kampf betonte, der § 218 habe nie die Funktion gehabt, Leben zu schützen, sondern sei immer nur eine „Knute für die Frauen“ gewesen, „und darum muß er weg“. Doch auch unter den Befürworterinnen einer ersatzlosen Streichung traten gestern erstmals vorhandene Gegensätze deutlicher ans Tageslicht. Viele betonten mehrmals, es sei entscheidend, wie die Streichung des § 218 begründet werde. So soll nach dem Willen eines Teils der Fraktion im Vordergrund stehen, „daß ungeborenes Leben schützenswert ist“ und „der Konflikt zwischen dem Leben der Frau und dem in ihr wachsenden Leben“ nicht mit den Mitteln des Strafrechts gelöst werden könne. Die Abgeordnete Uschi Eid z.B. sagte, sie sei grundsätzlich dagegen, „daß der Staat in einer solchen privaten Sache seine Finger im Spiel hat“. Aber die ersatzlose Streichung des § 218 dürfe nicht nur mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau begründet werden. Die Grünen müßten offensiv ihre Forderungen nach einer kinderfreundlichen Gesellschaft vertreten. Marie–Louise Beck–Oberdorf sprach daher von dem „Gefühl“, daß „da ein ganz falscher Zungenschlag reinkommt“. Die Grünen dürften den Frauen „nicht noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen machen“. Niemand sei für Abtreibung, und gleichzeitig werde es Abtreibungen immer geben, sagte die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen, Verena Krieger. Die Not beginne für die Frauen bereits mit dem moralischen Druck. Statt der Strafe kämen die Grünen nun mit der „moralischen Peitsche“. Das sei für sie „die Fortsetzung des § 218 mit anderen Mitteln“. Die frühere Abgeordnete Christa Nickels, ehedem eine Befürworterin der Fristenlösung und heute für die ersatzlose Streichung des § 218 mit entsprechender Begründung, reagierte heftig. Grüne müßten „ertragen können“, daß „solche Werte“ wie der Schutz des ungeborenen Lebens genannt würden, ohne daß sie gleich „als Peitschenschwingerin“ denunziert werde.