Atomkraft, dem Wald zuliebe...

■ Wirtschaftsminister Bangemann stellt Energiebericht vor / Nein zum Ausstieg aus der Atomenergie / Ja zum Schnellen Brüter und THTR / Bau von AKWs nicht ausgeschlossen / SPD: Regierung starrsinnig und denkfaul

Aus Bonn Oliver Tolmein

Die Bundesregierung setzt auch weiterhin auf Atomkraft. Anläßlich der Vorstellung des gerade vom Kabinett verabschiedeten Energieberichts unterstrich Bundeswirtschaftsminister Bangemannn (FDP) auf der gestrigen Bundespressekonferenz, daß ein Ausstieg weder kurz– noch mittelfristig möglich sei. Langfristig wollte er dagegen nicht ausschließen, daß sogar Anträge auf den Neubau von Atomkraftwerken gestellt würden: schließlich sei in manchen Regionen der Anteil der Atomenergie an der Deckung der Grundlast noch sehr niedrig. Auch sei nicht absehbar, daß der Stromverbrauch in den kommenden Jahren sinke. Daß auch weiterhin Atomstrom benötigt wird, begründete Bangemann mit dessen Umweltfreundlichkeit: der Einsatz fossiler Brennstoffe würde verheerende Folgen für den westdeutschen Wald nach sich ziehen und die Gefahr von Klimaveränderungen durch CO2–Belastungen erhöhen. Auf die Frage nach den beiden von seinem Ministerium in Auftrag gegebenen Studien des RWI und des Öko–Instituts, die beide belegten, daß ein Ausstieg sehr wohl machbar ist, wurde Bangemann recht wortkarg: Die Ergebnisse insbesondere der RWI–Studie seien öffentlich in die falsche Richtung interpretiert worden. Im übrigen habe sein Ministerium sie selbstverständlich berücksichtigt. Etwas weitschweifige aber nicht klarer fiel seine Antwort auf die Frage aus, welche konkreten ökonomischen Folgen ein Ausstieg aus der Atomenergie seinen Erkenntnissen nach denn haben könnte: Das sei so ohne weiteres quantitativ nicht zu sagen, weil sich gerade Berechnungen über Entwicklung von Energiepreisen als unzuverlässig erwiesen hätten. Qualitativ aber, das könne er versichern, hätte so ein Ausstieg enorme negative Folgen: „Der Ruf der Bundesrepublik als ein Land, das bewußt auf fortschrittliche Techniken setzt und deswegen Vertrauen genießt, wäre dahin.“ Unmißverständlich sind auch die Aussagen des knapp hundertseitigen Energieberichts zu den fortgeschrittenen Reaktorlinien: Der schnelle Brüter in Kalkar soll möglichst schnell fertiggestellt und in Betrieb genommen, der THTR in Hamm–Uentrop baldmöglichst ans Netz angeschlossen werden. Wie sehr Bangemann auf den CDU–Kurs eingeschwenkt ist, zeigt, daß im Energiebericht im Gegensatz zur FDP–Beschlußlage auch die kommerzielle Nutzung des Schnellen Brüters nicht ausgeschlossen wird: „Über die Nutzung dieser Technik“, heißt es auf Seite 25 lapidar, „muß die Wirtschaft entscheiden.“ Den Energiebericht hat Volker Hauff, stellvertretender Vorsitzender der SPD–Bundestagsfraktion, in einer Stellungnahme als „Dokument des Starrsinns und der Denkfaulheit“ bezeichnet. Die Grünen urteilten in einer Presseerklärung: „Mit der Vorlage dieses Berichts hat sich die Bundesregierung endgültig aus einer sachlich und rational geführten Debatte über die Nutzung der Atomenergie verabschiedet.“ Sie kündigten eine Auseinandersetzung über den Bericht im Bundestag an.