Virus aus Waffenlabor verschwunden

■ Die 2,352 Mililiter Chikungunya könnten ausreichen, die gesamte Menschheit mit Tropenfieber anzustecken / Wissenschaftler enthüllte Verlust des Pentagon–Labors, nachdem Gentechnologie–Kritiker 100.000 Dollar für Hinweise auf Verletzung des Bio–Waffen–Vertrags boten

Von Michael Fischer

Berlin (taz) - Wie am Mittwoch in Washington bekannt wurde, sind im September 1981 größere Mengen eines gefährlichen Virus aus einem Bio–Waffenlabor des Pentagon verschwunden. Nach den Worten des damals für die Versuche verantwortlichen Wissenschaftlers des Medizinischen Forschungsinstituts für ansteckende Krankheiten der US–Armee (USAMRIID), Dr. Neil Levitt, könnte die Menge des verschwundenen Chikungunya–Virus ausreichen, „die ganze Menschheit mehrfach mit tropischem Fieber anzustecken.“ Das Verschwinden dieser Grundsubstanz biologischer Waffenforschung wurde aufgedeckt, nachdem die Stiftung für wirt schaftliche Trends des Gentechnologie–Kritikers Jeremy Rifkin zu Beginn der zur Zeit in Genf stattfindenden Überprüfungskonferenz des Bio–Waffenvertrags Wissenschaftler aufforderte, ihnen bekannte Forschungsprojekte zu nennen, die einen Vertragsbruch darstellen. Die Stiftung bot 100.000 Dollar Unterstützung bei evtl. Arbeitsplatzverlust an. Ende letzter Woche meldete sich daraufhin Dr. Levitt. Er gab bekannt, daß der Generalinspekteur der US–Armee das Verschwinden von 2,352 Milliliter des Virus bereits in einem im Mai dieses Jahres fertiggestellten, aber unveröffentlichten Bericht bestätigt. In dem Bericht wurde außerdem festgestellt, daß das USAMRIID keine schriftlich festgehaltenen Vorschriften für der artige Vorfälle entwickelt hat. Zusammen mit Levitt klagt nun Rifkin gegen das Pentagon. Ein Gericht ist aufgefordert, der US–Armee die Durchführung weiterer Bio–Waffen–Experimente solange zu verbieten, bis die nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen sind. Als Begründung wurde angeführt, daß die Armee mit äu ßerst gefährlichen Krankheitserregern experimentiere, die Gelbfieber, Cholera, Pest und ähnliches hervorrufen, die Sicherheitsvorkehrungen der Bio–Labors seien aber unverhältnismäßig lasch. Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung der Gentechnologie und dem enormen Ausbau der Bio–Waffenforschung müßten Maßnahmen getroffen werden, die die Öffentlichkeit vor möglichen Unfällen schützt. Rifkens Prozeß hat gute Aussichten: das Pentagon hat schon einmal gegen den streitbaren Gen– Kritiker verloren. Im Mai 1985 verbot ein Washingtoner Gericht den Bau eines Bio–Waffenlabors in dem US–Bundesstaat Utah.