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D O K U M E N T A T I O N Versöhnung mit Fremdenfeindlichkeit

■ Andreas Zumach, Vertreter der Aktion Sühnezeichen im Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung, ist am 21. September aus der SPD ausgetreten. Zumach, der auch Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission der SPD war, begründete dies mit dem Verhalten der Partei in der Asylfrage. Wir dokumentieren Teile seiner Austrittserklärung.

Völlig unerträglich ist für mich das - offensichtlich von Parteivorstand und Präsidium gedeckte - Verhalten des Kanzlerkandidaten Johannes Rau und leider auch Egon Bahrs. Beiden ist im Verein mit Honecker, Schäuble und Kohl eine deutsch–deutsche Versöhnung mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gelungen, und zugleich eine Vertiefung der Spaltung zwischen den Menschen in der Ersten, Zweiten und Dritten Welt. Es ist bekannt, und ich brauche nicht extra zu betonen, daß ich natürlich für eine Entspannungspolitik, den Abschluß möglichst vieler vertraglicher Beziehungen mit der DDR und anderen Staaten des Warschauer Paktes bin. Aber nicht für diesen Preis! Hier sind zum Zwecke eines zwischenstaatlichen Abkommens Tausende von Menschen verkauft worden. Das Asylrecht wurde erfolgreich geschützt - gegen diejenigen, die es eines Tages in Anspruch nehmen wollen.(...) Daß ein Pressesprecher der SPD auf den Einwand, daß die SPD mit ihren Verhandlungen dazu beigetragen hat, daß Asylsuchenden in Zukunft der Fluchtweg über Ost–Berlin abgeschnitten sei und das Grundrecht auf Asyl damit faktisch außer Kraft gesetzt ist, antwortet: Auch Willy Brandt habe, als er vor den Nazis ins Exil flüchtete, nicht einfach an einem Flugschalter ein Ticket kaufen können (taz, 19.9.85) empfinde ich als zynisch. Und als nur noch taktischen Umgang mit der Geschichte der Verfolgungen von Sozialdemokraten, den ich als Mitarbeiter der Aktion Sühnezeichen / Friedensdienste, die in der Gründungstradition im Dritten Reich Verfolgter steht, unglaublich finde. Vollends zum erbärmlichen Skandal wird der ganze Vorgang durch das peinliche Wahlkampfgerangel um Urheberschaft für die „Erfolgsmeldung“ aus Ost–Berlin. Allen bisherigen Beteuerungen und Nürnberger Parteitagsbeschlüssen zum Trotz macht die SPD das Asylthema jetzt doch zum Gegenstand der Wahlkampfauseinandersetzung - allerdings nicht auf der Ebene durchaus wünschenswerter Aufklärung, sondern billiger Ef fekt ha sche rei. Johannes Rau hat sich in der Diktion seiner Erklärung vom vergangenen Donnerstag dabei bereits ein gutes Stück der CDU/CSU angenähert, wenn er jetzt auch von „Eindämmung“ des Asylantenstroms spricht. „SPD machts möglich. DDR stoppt Asylanten–Transit“ steht auf einem SPD– Flugblatt, das bundesweit verteilt werden soll und von dem ich nur hoffen kann, daß möglichst viele Parteimitglieder es an die Bonner Baracke zurückschicken. Und wenn das Flugblatt den Anteil der SPD am Zustandekommen der Übereinkunft mit der DDR lobt mit dem Satz: „Die Erfahrungen sozialdemokratischer Friedens– und Entspannungspolitik haben sich ausgezahlt“, dann werden hier Entspannung, Frieden und Abrüstung im Norden unserer Erde ausgespielt gegen Gerechtigkeit und Menschenrechte im Süden. Ich kündige hiermit meine3 Mitgliedschaft in der SPD.

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