Bayern in Treue zu(r) CäSiUm

■ Landtagswahlen 86: Die „Republikaner“ wollen die CSU rechts überholen / Auf Bayerns Bauern kommt es an

Wahlkampf in Bayern - ein Land, in dem die CSU seit Jahrzenten unangefochten regiert - was soll sich da schon ändern? Vielleicht überspringen die Grünen am 12. Oktober die Fünf–Prozenthürde, vielleicht fällt aber die CSU unter die Fünfzig–Prozenthürde. Bayern in Bewegung? Die Atomkraft, die Wiederaufbereitungs frühere CSU–Mitglieder um Handlos und Schönhuber wetteifern mit ihnen

München (taz) - „Die SPD hat nichts dazugelernt, die FDP hat es schwer reinzukommen, die Grünen haben Chancen und wir werden die Mehrheit behalten“, so CSU–Chef Strauß zur Lage vor den Wahlen.Die Landtagswahl wird für die bayerischen Grünen zur Nagelprobe. „In Bayern geht ja alles etwas langsamer, aber vielleicht schaffen wirs beim zweiten Anlauf“, so Ilona Vogel vom grünen Regionalbüro in Niederbayern. Vor vier Jahren scheiterten sie mit einem halben Prozent an der fünf–Prozenthürde. Doch der Auftrieb nach Tschernobyl ist vorbei. Ganz Optimistische glaubten danach schon an 12 Prozent. In der Zwischenzeit ist die Rede von sieben oder ganz vorsichtig, wie sich der Realo Martin Kaltenhauser ausdrückt: „fünf plus x“Prozent. Was hat sich geändert? Zum einem der „Ausstiegskurs“ der SPD, fast wählbar erscheint sie nach ihrem Nürnberger Parteitag, zum anderen hat die bayerische „Mehrheitspartei“, „ganz das Ohrwaschl am Volksmund“, rechtzeitig den Wahlkampfschlager „Asyl“ aus dem Ärmel geschüttelt und ist damit wieder aus ihrer Defensive nach Tschernobyl gekommen. Besonders in Niederbayern schürt die CSU die Emotionen. Das spürt auch der niederbayerische Spitzenkandidat Paul Kestel. Mit dem 54jährigen Studiendirektor, er brachte es bei den vergangenen Kommunalwahlen im Landkreis Regen im bayerischen Wald auf über 27 Prozent der Stimmen gegen den alteingesessenen CSU– Konkurrenten und in seiner Heimatstadt Regen sogar auf 60 Prozent, hoffen sie auf Zulauf. „Die Veranstaltungen mit Schily waren gut besucht, 6.000 waren da, da läufts von vornherein.“ Eine von den niederbayerischen Grünen geplante Podiumsdiskussion mit seinem hessischen Kollegen Joschka Fischer lehnte Umweltminister Dick aber „aus Termingründen“ ab. Ebenso wie die CSU kommen auch die Grünen an den Bauern als Wählerpotential, zehn Prozent der Bevölkerung stammen aus bäuerlichen Betrieben nicht vorbei. „Die haben Berührungsängste“, so Kestel. Doch das gilt nicht für ganz Bayern. Im Berchtesgadener Raum haben die grünen mit ihrem Biobauer und Bundestagskandidaten Hias Kreuzeder das große Los gezogen. Er hat bereits so an Popularität zugelegt, daß er statt CSU– Prominenz ins Bierzelt geladen wird. Wenn er mit den „Großkopferten“ und dem CSU–nahen Bauernverband abrechnet, hat er die Bauern auf seiner Seite. Jedoch ein „Renommierbauer“ macht noch keine grünen Bauern. Hinzukommt, daß sich kurz vor den Wahlen eine parteifreie und unabhängige Wählergemeinschaft gegründet hat, deren Hauptaugenmerk ebenfalls den Bauern gilt. Angeführt von dem schwäbischen Biobauern Sepp Bichler und dem ehemaligen Vorsitzenden der Katholischen Landjugend und Bauern aus dem oberbayerischen Weilheim, wollen die „Unabhängigen“ die Bauern vor einem „Rechtsdrall“ abhalten. Bestimmend für die bayerische grüne Politik ist ein mehr oder weniger breiter Realo–Flügel. Dafür stehen in Oberbayern die Spitzenkandidaten Ruth Paulig, Kreisrätin aus Starnberg, der 38jährige Richter Hartmut Bäumer sowie die Grünen–Landesvorstände Martin Sträßer, ehemals im Bundesvorstand der Jungliberalen, und Martin Kaltenhäuser, der aus der katholischen Landjugendbewegung zu den Grünen stieß und zur Zeit unter heftigen Basisbeschuß steht. Hin und her gebeutelt zwischen radikalen Positionen und realen durchsetzbaren politischen Perspektiven werden die Grünen nicht nur in der Frage des Paragraph 218. (Die hart erkämpfte Entscheidung, die Abschaffung des 218 zu fordern, wurde zwei Wochen später wieder revidiert) Jüngstes Beispiel für grüne Wechselbäder: die Auseinandersetzung um die geplante Anti–WAA Demo am 4. Oktober in München. Mit einem offenen Brief an die Presse ging Kaltenhauser und mit ihm der Landesvorsitzende Heinz Gruber in die Offensive und warnte vor der Teilnahme, da es zu „gewalttätigen Auseinandersetzungen von Polizei und Stahlkugelfraktion“ kommen könnte. Der Hauskrach blieb nicht aus und wird die „Mutterpartei“ auf ihrer heute beginnenden Bundesversammlung beschäftigen. Luitgard Koch