„Sanktionen nur aus Solidarität“

■ Bundestag debattiert über Südafrika und Chile / Anträge zu Sanktionen von SPD und Grünen

Aus Bonn Tina Stadlmayer

Der Bundestag in Bonn hat es am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt, die Regierung zu umfassenden wirtschaftlichen Sanktionen aufzufordern. Eine zweite Debatte über Chile begann am Nachmittag. „Die Apartheid ist eine eiternde Wunde im Gewissen der Welt“, erklärte der SPD–Vorsitzende Willy Brandt gestern bei der Bundestagsdebatte über Südafrika. In ihrer Ablehnung des Regimes waren sich alle Parteien einig, gestritten wurde jedoch darüber, welche Folgen diese Ablehnung haben sollte. Brandt warf der Regierung vor, die Sanktionsbeschlüsse der Europäischen Gemeinschaft verwässert zu haben: „In Pretoria wird das Feixen quittiert, anderswo wird es als Zynismus verstanden.“ Ein Einfuhrstopp südafrikanischer Kohle sei dringend geboten. Selbst der Generalsekretär der südafrikanischen Bergarbeitergewerkschaft habe diese Sanktionen gefordert und der wisse die Interessen der südafrikanischen Arbeitnehmer wohl besser zu vertreten als die Bundesregierung. Fortsetzung auf Seite 2 Nur durch fühlbaren Druck könne man Pieter Botha, den „ungewöhnlich sturen und selbstgerechten Präsidenten der weißen Minderheit“ zum Einlenken bewegen. Bundeskanzler Kohl gab in seiner Rede dem SPD–Vorsitzenden indirekt recht. Er habe die EG– Beschlüsse abgeschwächt, weil er eigentlich grundsätzlich gegen Sanktionen sei: „Wir haben uns nur aus europäischer Solidarität angeschlossen.“ Mit einer Revolution und „einem Meer von Blut und Tränen“ sei in Südafrika nichts zu erreichen. Anstelle von Sanktionen schlug der Bundeskanzler vor, die Ausbildung junger Farbiger zu unterstützen und mehr Entwicklungshilfe zu leisten. Genau diese staatliche Entwicklungshilfe prangerte die Abgeordnete der Grünen, Uschi Eid, an. Damit würden dem Apartheid– Regime, vorbei an Parlament und Öffentlichkeit, Gelder zur Verfügung gestellt. Uschi Eid kündigte eine zentrale Boykottdemo für Ende November in Bonn an. Bei der Rede seines Parteikollegen Helmut Schäfer (FDP) wirkte Jürgen Möllemann allerdings nicht besonders erheitert. Schäfer entpuppte sich nämlich als Befürworter von Sanktionen: „Die Einstellung eines jeden zu Südafrika ist eine Lackmusprobe für dessen Nähe oder Ferne zum Faschismus.“ (Beifall bei SPD und Grünen.) „Wie sonst, wenn nicht durch Sanktionen, können wir die südafrikanische Regierung dazu zwingen, ihre Politik zu verändern?“ Am Ende war der Antrag von SPD und Grünen mit 197 gegen 148 Stimmen abgelehnt. Die Debatte um Chile Berlin (taz) - „Der Tyrannenmord ist sicherlich eine problematische Angelegenheit, vor allem dann, wenn er fehlschlägt. Aber das eigentliche Problem ist und bleibt der Tyrann selber“. Mit diesem Zitat von Helmut Frenz, Ex–Bischof von Santiago und Ex– Generalsekretär von amnesty international, begründete Ludger Volmer den Antrag der Fraktion der Grünen in der gestrigen Chile– Debatte im Bundestag und setzte sich zugleich in aller Deutlichkeit von den Positionen der „Altparteien“ ab. Die CDU hatte in ihrem Antrag die Zuspitzung der Lage in Chile durch „rechts– und linksextremistische Terrorakte“ bedau ert und einen Übergang zur Demokratie gefordert. Im übrigen fordert sie die chilenische Regierung auf, alle Gefangenen, „die ausschließlich aus politischen Gründen inhaftiert sind“, freizulassen. Schärfere Töne schlägt da schon der Antrag der SPD–Fraktion an. Vom „wahren häßlichen Gesicht“ der Diktatur ist dort die Rede, von Massenarmut und vom Mörder Pinochet. Folgerichtig fordert die SPD die Bundesregierung auf, das chilenische Regime international zu isolieren und ihm keinerlei finanzielle Unterstützung zu leisten - just das also, was die Linke jahrelang vergeblich unter sozial–liberalen Koalitionen verlangt hatte. Weitergehende Forderungen brachten die Grünen vor. Sie verlangen, daß die deutsche Botschaft in Santiago aktive Fluchthilfe leistet, d.h. den Ver folgten hilft, auf sicherem Wege das Land zu verlassen. Im übrigen fordern sie die Abschaffung der Sicherheitsüberprüfung bei Asylverfahren für chilenische Flüchtlinge. Alle Verfolgten müssten in der BRD Asyl erhalten. Die Debatte dauerte bei Redaktionsschluß noch an.