„Die Regierung Vogel ist uns wohlgesonnen...“

■ Die US–Army plant Massenentlassungen von Zivilbeschäftigten / ÖTV befürchtet den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen / Dementis der Army wurden durch Veröffentlichung interner Papiere widerlegt / Realisierung aus Rücksicht auf die rheinland–pfälzische Landesregierung erst nach den Wahlen?

Von Rolf Gramm

Heidelberg(taz) - Etwa 63.000 Westdeutsche leben derzeit als „Zivilbeschäftigte“ vom Verkauf ihrer Arbeitskraft an die in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte der US–Armee, etwa 23.000 davon in Rheinland–Pfalz, dem „größten Flugzeugträger der NATO“. Unter dem Titel „Überprüfung kommerziell erhältlicher Dienstleistungen“ (abgekürzt ROCAS) haben die Amerikaner nun Privatisierungspläne entwickelt, durch die die Gewerkschaft ÖTV den Wegfall von 30.000 Arbeitsplätzen, davon 8.000 in Rheinland–Pfalz, befürchtet. Personalabbau durch Privatisierung Insgesamt 240 Fachbereiche, darunter Gebäudeinstandhaltung, Müllabfuhr, Reinigungsdienste, Küchen und KFZ–Instandhaltung sollen daraufhin untersucht werden, ob die Armee durch die Vergabe von Aufträgen an Fremdfirmen nicht billiger fährt als durch die Beschäftigung von Zivilpersonal. Als besonders gefährdete Standorte nennt die Gewerkschaft Kaiserslautern, Pirmasens, Germersheim, Karlsruhe und Darmstadt. Seit die ÖTV im April dieses Jahres die geplanten Massenentlassungen an die Öffentlichkeit brachte, ist man im Hauptquartier der US–Army in Europa (USAREUR) in Heidelberg damit beschäftigt, zu dementieren. Der Gewerkschaft liegen jedoch zwei interne Papiere der US–Army vor, durch die Dementis widerlegt werden: Da ist zunächst die USAREUR–Dienstvorschrift 5–1–G, in der detailliert Grundsätze, Verfahren und Verantwortliche für die Durchführung von ROCAS dargestellt werden. Als Programmziel wird darin gleich zu Anfang genannt: „Systematische Ausschöpfung der MÖglichkeit zu privatisieren“ und „Senkung der Betriebskosten“. Offen beschreibt das Papier als Pflichten der Personalbüros die „Planung und Durchführung von Personalabbaumaßnahmen“, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß mit den Betriebsvertretungen zusammengearbeitet werden soll, „um Unruhen unter den Beschäftigten ... auf ein Mindestmaß zu reduzieren“. Zudem müsse die Planung koordiniert vonstatten gehen, „um durch einzelne Personalabbaumaßnahmen verursachte Unruhen zu verringern.“ Bundesregierung hat keine Einwände Noch weitaus pikanter ist das der ÖTV zugespielte Papier „Resume of Activities, USFLO Hessen, 1 Thru 15 July 1986“. Robert Shackleton, Chef der Verbindungsstäbe der US–Streitkräfte zu den Landesregierungen in Hessen, Rheinland–Pfalz und dem Saarland, beschreibt in diesem Bericht seine Bedenken hinsichtlich der Durchführung von ROCAS im von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Rheinland–Pfalz. In einem Bonner Informationsgespräch sei ihm mitgeteilt worden, daß die Bundesregierung zwar keine Einwände gegen das Programm habe, sie aber wegen der Arbeitnehmer, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, große Turbulenzen voraussage. Das Hauptproblem, so Shackleton, läge jedoch woanders: „Dies ist ein Wahljahr und ROCAS spielt direkt der ÖTV und der rheinland– pfälzischen SPD in die Hände“. Egal, was die Regierung Vogel unternehme, die SPD werde behaupten, sie täte nichts, um die Interessen der ortsansässigen Belegschaft zu schützen. Der amerikanische Verbindungsmann im Rang eines Brigadegenerals empfiehlt daher seinen Vorgesetzten, bis nach den Landtagswahlen 1987 kein ROCAS–Programm in Rheinland–Pfalz durchzuführen. „Die gegenwärtige Regierung Vogel ist uns wohlgesonnen, und es liegt nicht in unserem Interesse, etwas zu unternehmen, was die unsichere 51,9 1983 erzielt wurde, schwächt“. Landesregierung wiegelt ab In einer ersten Stellungnahme beschwerte sich der rheinland– pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel darüber, daß dies „interne Papier auf unseriöse Art und Weise in die Öffentlichkeit gelangt ist“. Ansonsten wurde der Bericht als die unmaßgebliche Meinung eines US–Beamten abgetan. Der Vorsitzende der CDU– Landtagsfraktion Hans–Otto Wil helm warnte davor, bei den Amerikanern den Eindruck zu erwecken, sie seien in Deutschland nicht willkommen. Wenn man derart die Äußerungen eines einzelnen Beamten hochspiele, würden „naturgemäß Kräfte in Amerika unterstützt“, die den „totalen Abzug der amerikanischen Streitkräfte in Amerika“ forderten. Für Heinrich Schmidt vom Hauptvorstand der ÖTV ist das Schreiben des amerikanischen Verbindungsmannes nicht nur eine „ungeheure Einmischung der Streitkräfte in die innere politische Lage“, sondern im Zusammenhang mit der Dienstvorschrift 5–1–G auch eine Bestätigung für die von seiner Gewerkschaft befürchteten Massenentlassungen. ÖTV plant Protestkundgebung Für den 25. Oktober ruft die ÖTV die Zivilbeschäftigten der US–Armee zu einer regionalen Protestkundgebung in Kaiserslautern auf. Zu der hat sie auch den amerikanischen Botschafter Richard R. Burt eingeladen. Er werde sich dort davon überzeugen können, daß „unser Vorgehen mit Antiamerikanismus nichts zu tun hat“, heißt es in dem Einladungsschreiben. Schließlich hatte die ÖTV ja in ihren Publikationen die US–Armee immer wieder gewarnt, daß sich durch die Privatisierung die Dienstleistungen verschlechtern würden und auch „die Sicherheit im Streitkräftebereich durch den kaum mehr zu kontrollierenden Zugang Dienststellenfremder gefährdet sein könnte“.