„...nicht nur dumm rebellieren“

■ Die grüne Bundesversammlung verabschiedete als erste Partei ein Frauenstatut

Aus Nürnberg Ursel Sieber

Eigentlich hätten alle wieder nach Hause fahren müssen. Denn der Beschluß des letzten Parteitages in Hannover, alle Gremien und Versammlungen zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen zu besetzen, war nicht erfüllt, zumindest nicht ganz: Entsandt waren nur 282 weibliche und 356 männliche Delegierte. Doch so genau wollte man es nun doch nicht nehmen. Die grünen Karten schnellten in die Höhe, und so war dennoch Beschlußfähigkeit hergestellt. Und alsbald war dann das an der Reihe, was manche Delegierte sehr heftig bewegte und manche gar nicht interessierte: das Frauenstatut. Christa Merkel, Mitglied im Bundesvorstand (BuVo), nannte es ein „innergrünes Antidiskriminierungsgesetz“. Vorerst wird es allerdings nur der Satzung als „politische Absichtserklärung“ beigelegt. Ein „Probelauf“ sozusagen. Und so waren in Nürnberg nur einfache Mehrheiten vonnöten. Das Statut legt im einzelnen fest, wie bei der Besetzung der Listen und Gremien zu verfahren ist. Gewählt werden muß demnach nach Männern und Frauen getrennt. Eine sehr knappe Mehrheit war dafür, die Wahllisten grundsätzlich abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen, wobei die ungeraden Plätze dabei immer an die Frauen gehen. Eine Muß–Bestimmung, die bei zwei vor mir sitzenden weiblichen Delegierten aus der Oberpfalz helles Entsetzen auslöste. „Nein, das darf doch nicht wahr sein!“, sagte die eine. Und: „Müssen wir uns daran halten?“ Etwas höher schlugen die Wogen erst, als es um das „Vetorecht“ ging, den „Knackpunkt des Statuts“, wie das BuVo–Mitglied Regina Michalik sagte. Ein Vetorecht soll es in allen Fragen geben, „die das Selbstbestimmungsrecht berühren oder von denen Frauen besonders betroffen sind“. Ist das nach Meinung einer einzelnen Frau der Fall, kann sie eine gesonderte Abstimmung von Frauen und Männern beantragen. Weicht das Abstimmungsergebnis der Frauen von dem der Männer ab, wird der Punkt aufgeschoben und „zur weitergehenden Beratung“ an die Basis verwiesen. Und auf dem nächsten Parteitag müssen sich die Delegierten dann erneut mit dem Thema befassen. So soll erreicht werden, daß Fragen, die das Selbstbestimmungsrecht berühren, stärker in die Partei hineingetragen werden. „Die Männer sollen gezwungen werden, zu diskutieren und sich nicht verdrücken oder dumm rebellieren“, sagte schimpfend die frühere Abgeordnete Chista Nickels. Schließlich sei es „typisch“, daß die Debatte um dieses Statut für viele der Moment sei, die „großen politischen Gespräche zu führen oder mal Kaffee schlürfen zu gehen“. Arnim von Gleich, ein früherer Bundestagsabgeordneter, war einer der wenigen Männer, die die Debatte nicht einfach so über sich ergehen ließen oder auf den Fluren eben „wichtigeres“ diskutierten. Die Frauen seien von allem besonders betroffen, und allein deswegen sei dieses Ansinnen „ein starkes Stück“, sagte von Gleich. Das Recht: ein Mensch - eine Stimme, ein „Grundprinzip der Demokratie“ werde damit außer Kraft gesetzt. Schließlich seien auch Frauen am innergrünen Strömungsstreit beteiligt, würden sogar „strömungspolitisch mißbraucht oder lassen sich mißbrauchen“. Er wurde vom Mikrophon gepfiffen. Ein Delegierter aus dem Kreisverband Bochum beantragte, das Vetorecht ganz aus dem Statut herauszunehmen. Es sei völlig unklar, was Frauenfragen eigentlich alles seien, sagte er. Und: Das sei ein „Freifahrschein per se“, wenn eine Gruppe plötzlich selber entscheide, wann sie von welchen Fragen betroffen sei. Und weil Männer immer „angefeindet“ würden, wenn sie „so etwas sagen“, beantragte der Delegierte eine „geheime Abstimmung“. Dazu kam es nicht, das Vetorecht wurde so beschlossen. Nicht durchsetzen konnte sich damit allerdings die Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen. Sie fand, ein „Vetorecht“ sei nur ein „halbherziger“ Schritt und wollte deshalb bei voneinander abweichenden Ergebnissen das Votum der Frauen gleich als „bindend“ festlegen.