Ohnmächtiger Protest gegen einen Staudamm im Norden Spaniens

■ Das nordspanische Dorf Riano soll unter der Wasseroberfläche eines Staudamms verschwinden / Protest der Bewohner und Alternativ–Pläne von Ökologen sind nahezu chancenlos

Von Elisabeth Guth

Madrid (dp) - Die kleine Ortschaft Riano liegt wie ein Vogelnest mitten im Kantabrischen Gebirge im Norden Spaniens. Die Landschaft ist paradiesisch schön. Wer wollte da schon freiwillig weggehen? Die 3.000 Bewohner von Riano in der Provinz Leon wollen nicht fort, und sie wehren sich gegen ein seit über 20 Jahren bestehendes Staudammprojekt. In diesem Sommer wurden die Proteste lauter. Es war wie ein letzter verzweifelter Aufschrei, ein letztes Aufbäumen gegen das Wasser, unter dem Riano verschwinden wird. Dann, wenn das Hochtal das Wasser aus dem Fluß Esla stauen soll. Die Bewohner des Bergnestes haben in ganz Spanien viele Sympathisanten unter Naturfreunden. Auch einige Ökologen gehören dazu. Sie machten eigene Rechnungen auf, nach denen viele kleine Staudämme oberhalb des Hochtals zur Bewässerung genutzt werden könnten, ohne daß Riano angetastet würde. Aber in der Provinzhauptstadt Leon hat sich offensichtlich die Überzeugung durchgesetzt, daß der große Stausee im „nationalen Interesse“ liegt. Mit der Trassierung neuer Landstraßen ist die letzte Bauphase des Projekts eingeleitet worden. Eine riesige Brücke steht bereits. Die aufgefangenen Wassermengen sollen 83.000 Hektar Trockenland bewässern und damit Wohlstand in benachteiligten Zonen schaffen, die zu 89 Prozent ebenso zur Provinz Leon gehören wie Riano. Nach offiziellen Schätzungen würden durch die Bewässerung auf einem Hektar Boden im Jahr 170 000 Peseten (etwa 2 600 Mark) erwirtschaftet werden können, während die Rendite gegenwärtig bei 40 000 Peseten pro Hektar und Jahr liegt. Für die Enteignung von Hausund Landbesitz wurden 3,1 Millarden Peseten ausgeworfen. Bis auf 30 Restfälle waren bis Ende 1985 alle Entschädigungsverfahren abgewickelt. Die entsprechenden Gelder - durchschnittlich 13 Millionen Peseten pro Familie - wurden ausgezahlt. Aber die meisten Empfänger verbesserten damit Haus und Hof und kauften mehr Milchvieh, statt es zum Ausbau einer neuen Existenz zu verwenden. Alles deutet darauf hin, daß die Bewohner des zum Untergang bestimmten Riano in eine am Berghang gegründete Siedlung, Nuevo Riano abwandern werden, wenn es erst richtig ernst wird. Die Proteste und die noch frischen Wandmalereien muten eher wie Rückzugsgefechte an. „Und was werden Sie machen, wenn das Wasser kommt?“ fragte die Besucherin den Tankwart der Ortschaft. „Hierbleiben bestimmt nicht“, lautete die prompte Antwort mit einem Blick hinauf zum Berg, in Richtung Nuevo Riano.