Schiessers Chancen

■ Zu den Sanierungsplänen des neuen NH–Besitzers

Die einzige Klarheit, die Horst Schiesser der gespannt wartenden Öffentlichkeit zuteil werden ließ, ist, daß er selber noch keine Klarheit hat. Das, was er als Sanierungsmaßnahmen angekündigt hat, sind kleine Korrekturen an einem schlechten Gesamtkunstwerk. Und daß die Mitwirkung der Banken und der Öffentlichen Hand Voraussetzung für jedwede Sanierung des überschuldeten Konzerns ist, bleibt auch dann eine Banalität, wenn sie ein tüchtiger mittelständischer Unternehmer von sich gibt. Tatsächlich entscheiden jetzt zunächst einmal die Banken darüber, was für sie günstiger ist: der unmittelbare Konkurs oder eine langfristig mit ihrer Unterstützung betriebene Sanierung, bei der sie sich die Hoffnung auf eine Rückzahlung ihrer Kreditmilliarden bewahren können. Bevor die Banken mit ihren zum Teil unterschiedlichen Interessen sich auf eine Linie festgelegt haben, sind alle Spekulationen über die Chancen Schiessers müßig. Es wird noch einige Zeit dauern, bis es den Bewohnern in den NH–Blocks „wieder Freude macht, Mieter der Neuen Heimat zu sein“. Die Freude daran, Besitzer der Neuen Heimat zu sein, wird dem Berliner Brotfabrikanten unter Umständen sehr schnell vergehen, wenn die Banken ihre Bedingungen auf den Tisch legen. Erst danach kann über Sozialbindung, stabile Mieten, Eigenleistungen und dergleichen mehr Verbindliches gesagt werden. Martin Kempe