Untergrundführung der Solidarnosc taucht auf

■ Solidarnosc–Rat gegründet / Offene Aktivitäten für Gewerkschaftspluralismus als Ziel / Der Grad der Legalisierung ist umstritten / Regierung zurückhaltend

Berlin (afp/ap/taz) - Die Führung der polnischen Untergrund– Solidarnosc TKK will raus aus dem Untergrund und sich offen am politischen Leben des Landes beteiligen; das ist der Kern einer Erklärung, die Arbeiterführer Walesa am Dienstag in Warschau vor westlichen Journalisten abgab. Walesa gab die Bildung eines „Provisorischen Rats“ der Gewerkschaft bekannt, dem der ehemalige TKK–Führer Zbigniew Bujak aus Warschau, Wladyslaw Frasyniuk aus Breslau, Jozef Pinior aus Breslau, Tadeuscz Jedynak aus Kattowitz, Bogdan Lis und Bogdan Borusewicz aus Danzig und Janusz Palubicki aus Posen angehören sollen. Alle sieben waren im Rahmen der Amnestie für politische Gefangene vom 15. September freigelassen worden. Walesa wird nicht als Mitglied des Rates angegeben, wird jedoch weiterhin als Vorsitzender der Gewerkschaft betrachtet. Das Ziel der neuen Gruppe sei die Wiederherstellung eines gewerkschaftlichen Pluralismus und anderer parteiunabhängiger öffentlicher Gruppen in Polen, erklärte Walesa. So ganz will die Solidarnosc aber doch nicht auf ihre Untergrundstrukturen verzich ten. So sollen die Solidarnosc–Komitees in den Betrieben weiterhin im Untergrund arbeiten, und auch die zahlreichen Publikationen der Solidarnosc sollen weiterhin im Untergrund erscheinen. Über den Grad der Legalisierung der Solidarnosc scheint es innerhalb der Führung Meinungsunterschiede zu geben. Während Walesa erklärte, die TKK werde sich auflösen, meinte Bujak, die Untergrundstrukturen müßten zumindest solange erhalten bleiben, bis es in Polen einen Gewerkschaftspluralismus gebe. Dieser Meinung schlossen sich auch die beiden Solidarnosc–Führer Wiktor Kulerski und Jan Litynski an, die anläßlich der Pressekonferenz zum ersten Mal wieder an die Öffentlichkeit traten. Der polnische Regierungssprecher Jerzy Urban erklärte, die politische Führung Polens sei nicht bereit, in Gespräche mit der Solidarnosc einzutreten. Innenminister General Kiszczak kündigte seinerseits an, die Regierung werde die Möglichkeit neuer Formen der Bekämpfung „staatsfeindlicher Aktivitäten“ prüfen, ohne auf strafrechtliche Maßnahmen zurückzugreifen. Möglicherweise wird sich die polnische Regierung in der nächsten Zeit mit Maßnahmen gegen die neue Gruppe zurückhalten, um das Prestige nicht zu verspielen, das ihr die Amnestie eingebracht hat, und gleichzeitig die Gespräche mit Kirchenkreisen und einzelnen Oppositionellen weiterführen, um die Opposition weiter zu entschärfen. -ant– Kommentar auf Seite 4