amnesty kritisiert Transitregelung

■ Heute ist „Tag des Flüchtlings“ / „Lobby für Flüchtlinge“ gefordert / Appell an Bundeskanzler Kirchen und Pro Asyl weisen auf verfälschte offizielle Statistiken hin

Von U. Sieber und M. Miersch

Bonn/Frankfurt (taz) - Mit über 200 Veranstaltungen wird heute erstmals ein „Tag des Flüchtlings“ im Rahmen der seit Jahren stattfindenden „Woche der ausländischen Mitbürger“ begangen. Die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international sprach gestern in Bonn von der Möglichkeit, „so etwas wie eine Lobby für Flüchtlinge“ zu schaffen. Gleichzeitig forderte die Generalsekretärin von amnesty, Brigitte Erler, die politisch Verantwortlichen auf zu erklären, wie politische Flüchtlinge künftig noch die BRD erreichen könnten. Ein Brief mit einer entsprechenden Aufforderung sei, so Brigitte Erler, am Mittwoch auch Bundeskanzler Kohl zugegangen. Die DDR hatte erst vor kurzem zugesagt, nur noch solchen Flüchtlingen den Transit zu gestatten, die über ein Anschlußvisum für ein westeuropäisches Land verfügen. Politisch Verfolgte seien aber nicht in der Lage, angesichts drohender Inhaftierung oder Folter „die langen Wartezeiten einer Visumserteilung durch die deutschen Auslandsvertretungen in Kauf zu nehmen“. Zudem habe das Auswärtige Amt Auslandsvertretungen angewiesen, nur bei „drohender physischer Existenzvernichtung“ eine Einreiseerlaubnis auszustellen. Auf Pressekonferenzen in Frankfurt und Berlin kritisierten Vertreter der Kirchen und der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Pro–Asyl die Flüchtlings–Statistik der Bundesregierung. Pfarrer Herbert Leuninger und Rechtsanwalt Victor Pfaff haben nachgerechnet und festgestellt, daß die offiziellen Zahlen über Asylbewerber ein falsches Bild ergeben. Offiziell werden lediglich 16 Prozent der Bewerber als politisch verfolgt anerkannt. Das soll, so die beiden Asyl–Experten, implizieren, daß 84 Prozent nicht verfolgt, also „Wirtschaftsasylanten“ sind. Allerdings werden dabei auch diejenigen mitgezählt, die in ein anderes Land weiterwandern, in ihre Heimat zurückkehren oder einfach ihren Antrag zurückziehen. Die Ehefrauen und Kinder anerkannter Verfolgter werden ebenfalls unter „abgelehnt“ geführt. Ist die Statistik um diese verfälschenden Faktoren bereinigt, ergebe sich eine Anerkennungsquote von 55 Prozent.