Atom–Krach in der Hessen–Koalition

■ Die sogenannte „Biblis–Kommission“ entpuppt sich als Papiertiger / Für Umweltminister Wallmann ist die Überprüfung Stegers „Privatveranstaltung / Hat Wirtschaftsminister Steger die Grünen „gelinkt“?

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Wiesbaden (taz) - „Irritiert“ reagierten die Grünen im hessischen Landtag gestern auf eine Stellungnahme des Wallmann–Ministeriums zur hessischen „Biblis–Kommission“, die im Rahmen einer atomrechtlichen Expertenprüfung die wissenschaftlichen Grundlagen für die angestrebte Stillegung des Reaktors Biblis A erarbeiten soll. Der Sprecher des Bundesumweltministers, Detlef Diehl, hatte am Montag in Bonn „klargestellt“, daß die von Hessens Wirtschaftsminister Ulrich Steger (SPD) berufenen Gutachter „nicht als Sachverständige im Sinne des Paragraphen 20 des Atomgesetzes (AtG)“ tätig werden könnten. Die Überprüfung, so Diehl gegenüber der FR, sei eine reine „Privatveranstaltung“ des Herrn Steger. Daß „Bundesatomminister Wallmann“ versuche, die Sicherheitsüberprüfung von Biblis A auf der Grundlage des AtG zu „torpedieren“, sei zu erwarten gewesen, meinte der Atomexperte der Landtagsgruppe der hessischen Grünen, Franz Jakob. Daß aber Wirtschaftsminister Steger - nach Aussagen Diehls - „von sich aus“ gegenüber Wallmann erklärt haben soll, daß die Gutachter nicht im Sinne des AtG tätig würden, brachte die Grünen gestern in Harnisch. Jakob: „In den Koalitionsvereinbarungen zur Biblis–Kommission wurden im Mai die Kompetenzen eindeutig festgeschrieben. Die Experten müssen selbstverständlich im Rahmen des AtG tätig werden. Das schließt logischerweise die Berufung auf die Paragraphen 19 und 20 AtG ein.“ Während der Paragraph 20 die Einrichtung der externen Expertenkommission legitimiert, schreibt der Paragraph 19 Absatz 2 AtG fest, daß diesen eingesetzten Experten „Zugang zu allen Unterlagen und Anlageteilen“ gewährt werden muß. Mit der Entkoppelung der Biblis–Kommission von den Bestimmungen des AtG, so die Befürchtung der Grünen, werde die Kommission zum Papiertiger degradiert. Jakob: „Wenn Herr Steger - zusammen mit Wallmann - versucht, uns hier zu linken, steht die Koalition auf dem Spiel.“ Sollten der Kommission beispielsweise tatsächlich wichtige Akten vorenthalten werden, könne das Arbeitsergebnis dann selbstverständlich nur noch bedingt Grundlage für eine Stillegungsverfügung der Aufsichtsbe hörde sein. SPD und Grüne, so der Pressesprecher der Landtagsgruppe, Reinhold Weist, seien sich einig gewesen, daß nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl eine Sicherheitsüberprüfung nach dem Atomgesetz förmlich durchgeführt werden müsse: „Ein Abgehen vom bisherigen Stand ist nicht akzeptabel.“ Als „Antwort“ auf die Unmutsäußerungen des grünen Koalitionspartners legte Minister Steger gestern in Wiesbaden den Einladungs–Brief an einen der beauftragten Experten offen, in dem das Tätigkeitsfeld der Kommission umrissen wird. Danach hätten die Wissenschaftler eine „systematische und vergleichende Zusammenfassung der im Ermessensbereich von Paragraph 17 Atomgesetz (Widerruf der Genehmigung, die Red.) anzustellenden Überlegungen der sicherheitstechnischen Bewertung“ vorzunehmen. Darauf, daß auch der Paragraph 19 Absatz 2 AtG (Zugänglichmachung aller Unterlagen und Anlagenteile, die Red.) - wie von den Grünen gefordert - Grundlage der Kommissionsarbeit werden soll, geht Steger allerdings nicht ein. Zusammen mit dem Kommissionsmitglied Lothar Hahn (Öko– Institut) beabsichtigt die Landtagsgruppe, „konkrete Schritte in Richtung Klarstellung“ einzuleiten. Sollte Steger weiter „mauern“, so Franz Jakob, müsse Holger seinen Minister zur Ordnung rufen. tazintern