„Meilenstein für den Kampf der Prostituierten“

■ Mit offensiven Forderungen ging der 2. Weltkongreß der Prostituierten zu Ende / Die Debatte soll zu Politikern, der Frauenbewegung und den Freiern getragen werden / Vorwürfe gegen den „staatstragenden Feminismus“ / Prostitution als normalen Beruf anerkennen

Aus Brüssel Gitti Hentschel

Überzeugend, selbstbewußt, offensiv und mit offensichtlichem Optimismus: so traten die Prostituierten vor der zahlreich erschienenen Presse auf, um ihre Ergebnisse und Forderungen des 2. Welt–Prostituierten–Kongresses vorzutragen, der gestern in den Räumen des Europa–Parlaments in Brüssel zu Ende ging. Nicht nur an Staaten und staatliche Institutionen wandten sie sich mit ihren Forderungen nach menschenwürdigen Lebens– und Arbeitsbedingungen und Anerkennung ihrer Menschenrechte. Ihre Appelle gingen auch an andere Frauen, insbesondere an die Frauenbewegung - und an ihre eigenen Kunden, die Freier. Es sei an der Zeit, daß die Kunden der Prostituierten nicht nur privat darüber sprechen, daß und warum sie die bezahlte Form von Sexualität wählen, sondern daß sie das auch öffentlich vertreten. Gerade und insbesondere Politiker sollten Bundesgenossen der Prostituierten werden und sich offensiv mit den Problemen der Frauen auseinandersetzen, forderte die niederländische Vertreterin des Kongresses.“Der Dialog darf nicht mehr nur in den Räumen der Prostituierten stattfinden, sondern muß in den Räumen der Politiker geführt werden - wie hier im Europa–Parlament“, meinte auch Nel van Dijk, die Nachrückerin der Regenbogen– Fraktion im EP, die die Prostituierten, Exprostituierten und deren Unterstützer und Unterstützerinnen (vor allem Sozialarbeiter/ innen) zu dieser Konferenz ins Parlament eingeladen hatte. Die ungeteilte Unterstützung der Frauenbewegung für die Prostituierten forderte die Berlinerin Pieke Biermann, die tags zuvor bei der Debatte über „Prostitution und Feminismus“ die Position der Feministinnen heftig als „staatstragenden Feminismus“ attackiert hatte, der die Prostitution als frauenfeindlich ablehnt. Die Frauenbewegung, so Pieke Biermann, habe sich in den letzten Jahren Geld, Räume und Einflußmöglichkeiten erobert, die sie auch den Prostituierten zur Verfügung stellen solle. Sie „als unsere Lobby“ müsse Druck auf den Staat ausüben, die Entkriminalisierung der Prostitution zu erreichen und ihre Anerkennung als frei wählbare Arbeit, für die die Prostituierten wie alle anderen Berufstätigen in Krankenkassen und Rentenversicherungen sozial abgesichert werden können. Als „heißestes Thema“ für die BRD nannte Pieke Biermann die Weigerung der Freier, Kondome zu benutzen, was „einem Angriff auf die Gesundheit“ der Prostituierten gleichkomme. Als „Meilenstein für den Kampf der Prostituierten“ wertete die italienische Kongreßvertreterin die Brüsseler Konferenz, nach der es schwierig sein werde, die Prostituierten wie bisher in ein Ghetto zu verbannen. (Ausführlicher Bericht folgt nächste Woche auf der Frauenseite.)