Zum Kampf gegen die Sandinisten gezwungen

■ Junge nicaraguanische Flüchtlinge werden von den Kampfverbänden der Contra im honduranischen Departement El Paraiso zwangsweise rekrutiert / Deserteure werden von der honduranischen Armee an die Contraverbände ausgeliefert

Aus Honduras J.–P. Gerber

„Ich will nicht in den Krieg, glauben Sie mir das, ich meine es aufrichtig“, versichert der junge, dunkelhäutige Nicaraguaner und spielt nervös mit seinen Fingern. Der 23jährige Esteban Gutierrez (Name aus Sicherheitsgründen geändert) wurde zusammen mit etwa 20 weiteren Exil–Nicaraguanern am 10. April dieses Jahres im honduranischen Grenzort Moriah von Truppen der Contra zwangsrekrutiert. Moriah liegt ganz im Osten des honduranischen Departement El Paraiso, in einem Gebiet von rund 450 Quadratkilometern, das vollständig von der Contra kontrolliert wird. Esteban Gutierrez gehört der pazifistischen Freikirche der Mennoniten an und war vor drei Jahren zusammen mit anderen Glaubensbrüdern nach Honduras geflüchtet, um dem obligatorischen Militärdienst in der „Sandinistischen Volksarmee“ zu entgehen. „Jetzt trifft uns hier wieder dasselbe“, sagt der junge Bauer traurig. Weil er an Tuberkulose leidet, hat ihn die „Demokratische Nicarguanische Kraft“ (FDN) nach anderthalb Monaten freigelassen. Drei seiner Glaubensbrüder verbleiben aber weiterhin in der Gewalt der antisandinistischen Rebellen. „Nein“, sagt Esteban in seinem leicht singenden nicaraguanischen Spanisch, „keiner von uns ist freiwillig mitgegangen“. Er hat Angst, „daß den andern etwas zustoßen könnte“, wenn er „etwas Schlechtes“ über die Contra sage. Nur die quälende Ungewißheit über das Schicksal eines zurückgebliebenen Vetters veranlaßt ihn auszusagen. Der erst 15jährige Mennonit Jose Alfrede Gonzalez hatte während eines viertägigen Urlaubes Ende Mai versucht, über die Berge ins benachbarte Olancho zu entkommen. Doch die honduranische Armee faßte ihn und lieferte ihn der Contra aus. „Wir wissen, daß die Contra ihn ins Gefängnis gesteckt hat“, erzählt Esteban, doch seither gebe es keine Nachrichten mehr über seinen Verbleib. Nach dem Bericht Estebans und von Augenzeugen der mennonitischen Kirche umstellten Truppen der FDN am 10. April morgens um fünf Uhr die Häuser von zwei Honduranern im Dorf El Provenir de Yamales. Sie zwangen die beiden Männer, darunter den mennonitischen Priester, ihnen im benachbarten Moriah die Häuser der geflüchteten Nicaraguaner zu zeigen. Die Contra–Soldaten boten alle nica raguanischen Männer zu einer Versammlung auf und teilten ihnen mit, sie würden in der Armee der FDN gebraucht und hätten sich unverzüglich in den Militärbasen zu melden. Esteban, der bereits 1984 von der FDN zwangsrekrutiert worden war, zeigte den Antisandinisten ein Papier, das seine Entlassung wegen Tuberkulose bescheinigte. Doch die Rebellen gingen darauf nicht ein und ließen sich auch vom Mennonitenpfarrer nicht erweichen, wenigstens seine Kirchenmitglieder aus religiösen Gründen zu verschonen. „Man hat uns befohlen, alle Nicaraguaner einzusammeln und in die Basis zu bringen“, erklärten die Militärs. Am folgenden Morgen führten die Contras an die 20 junge Nicaraguaner, darunter acht Mennoniten, in die auf honduranischem Boden gelegene FDN–Basis „Julio Mezar“ und später in ein anderes Militärlager namens „Comandante Tono“. Am nächsten Tag sprach der Mennonitenpfarrer beim Basiskommandanten „Hugo“ vor, der schließlich die vier älteren Mennoniten freiließ. Doch bei den jüngeren Vier berief sich „Hugo“ auf „höheren Befehl“ und blieb hart. Auch als der Mennonitenpfarrer am 15. April in der Hauptbasis „El Estrate Gico“ bei „Comandante 380“ vorsprach (Enrique Bermudez, Oberkommandierender der FDN–Truppen und Ex–Oberst der Somoza–Nationalgarde), war dieser nicht bereit, die Burschen freizulassen. Esteban berichtet, er und seine Kameraden hätten jeden Tag gehofft und gebetet, daß ihre Kirche sie befreie: „Aber niemand kam“. Die mennonitische Kirche wandte sich verzweifelt an das FDN–Büro in Tegucigalpa und an den damaligen US–Botschafter John Ferch, der Hilfe versprach. In einem Brief vom 20. Juni an das Zentralkomitee der Mennoniten in Washington schrieb Ferch: „Ich teile ihre Besorgnis über die Situation der vier nicaraguanischen Mitglieder der mennonitischen Kirche in Honduras.“ Die Schuld an der Entführung der jungen Männer schob Ferch allerdings den Sandinisten in die Schuhe. Die in der Vergangenheit als FDN–Einheiten verkleidet „Grausamkeiten“ begannen hatten, „um die UNO/FDN zu diskreditieren“. Die Contra sei stolz auf ihre Prinzip der reinen Freiwilligkeit. Im übrigen führte Ferch aus, operiere die Contra in kleinen Gruppen, von denen die Männer „ganz einfach weglaufen könnten, wann und wo auch immer sie das möchten“. Dieser Auffassung widersprachen die vertriebenen honduranischen Kaffeepflanzer aus dem Dempartement El Paraiso, die versicherten, Deserteure der FDN würden von der honduranischen Armee und von „Zivilverteidigungspatrouillen“ aufgegriffen und der Contra überstellt. Dieses Schicksal ereilte denn auch einen der vier Mennoniten, der Ende Mai zu flüchten versuchte. Hartes Training Als Esteban von seiner Behandlung und Ausbildung bei der Contra berichtet, zittern ihm die Hände. „Selbst wenn wir uns über einige Sachen Rechenschaft geben, dürfen wir nichts Schlechtes sagen“, schickt er vielsagend voraus. Von Zeit zu Zeit hustet er, und sein Gesicht wirkt trotz der braunen Haut fahl und grau. Die Worte verraten die Angst, die ihn quält: „Wir sagen zum Beispiel, es gehe uns gut, auch wenn das nicht wahr ist“. Nein, er sei von der Contra nicht mißhandelt worden. Nur unter der Ausbildung hätten er und seine Freunde „ein wenig gelitten“. Aber, fügt er verständnisvoll hinzu, „die Ausbildung muß gezwungenermaßen hart sein“. Sie hätten „rennen, rennen und wieder rennen müssen, bis man vor Schweiß ohnmächtig wird“. Und wenn dann einer gefragt werden, ob er er müde sei, dürfe er nicht etwa ja sagen, „weil dann alle bezahlen müssen“. Anfang Mai brach die Einheit, in der Esteban und seine Kameraden eingeteilt waren, zum Kampf nach Nicaragua auf. Doch bevor sie die Grenze erreichten, wurde Esteban schwer krank und mußte zurückbleiben. Die FDN wollte ihn zwar nicht aus der Zone ausreisen lassen. Doch schließlich gelang es ihm mit Hilfe von Kirchenmitgliedern, sich in die Stadt Danli abzusetzen, die nicht mehr zum direkten Einflußgebiet der Rebellen gehört. Nachdem die FDN anfangs nichts von den vier jungen Mennoniten zu wissen vorgab, bestätigt sie unterdessen, zwei der Burschen kämpften in ihren Reihen. Carlos Icaza, Pressesprecher und „Menschenrechtsprokurator“ der FDN betont allerdings, die beiden hielten sich freiwillig bei der FDN auf. Sie hätten „die enge Religion nicht ertragen, der ihre Eltern angehören“. Im Gespräch mit ihm sollen sich zwei 21– und 22jährige Männer beklagt haben, Vater und Mutter hätten sie nicht ins Kino und zum Tanzen gelassen, weil das eine Sünde sei. „Der redet schlecht, das ist reine Fälschung“, kommentiert Esteban die Aussage Icazas. Er glaubt nicht an eine Meinugsumschwung der beiden. Möglicherweise fügten sie sich aber einfach in ihr Schicksal, meint er, weil sie eingesehen hätten, „daß sie niemand rausholen wird“. Doch er sei sicher, „diese Jungen werden nicht nein sagen, wenn jemand ihnen die Freilassung anbietet“. Carlos Icaza versichert, er habe Befehl verteilt, die beiden jungen Mennoniten nach Tegucigalpa zu überführen, damit dort Eltern und Kirchenvertreter ungestört mit ihnen sprechen könnten. Er erwarte die Nicaraguaner „jeden Augenblick hier in Tegucigalpa“, betont Icaza. Nur die Zukunft wird zeigen, ob er sein Wort hält oder bloß auf Zeit spielt.