Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika

■ OAS–Bericht verteilt Noten: Verschlechterung in Chile, Verbesserung in Guatemala und El Salvador / Politische Häftlinge in Kuba und Konflikt der Sandinisten mit der Kirche beklagt / Verfolgung von Journalisten in Paraguay / Duvaliers Miliz noch nicht entwaffnet

Washington (afp) - In Lateinamerika hat sich die Menschenrechtslage im letzten Jahr in Chile „verschlechtert“, jedoch in Ländern wie Guatemala, El Salvador und Paraguay verbessert. Das stellte der Menschenrechtsausschuß der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in seinem Jahresbericht fest. Der Ausschuß zeigt sich alarmiert über die Verschlechterung der Lage in Chile, wo es zu „Massenverhaftungen, Anschlägen gegen die Kirche und Übergriffen gegen humanitäre Institutionen“ gekommen sei. In Guatemala habe sich die Menschenrechtslage leicht gebessert. So sei die Zahl der „politischen Morde, Verschleppungen, der Fälle spurlosen Verschwindens, der Fluchtstrom der Bevölkerung, die Übergriffe gegen Bauern und die Aktivitäten der Todesschwadronen spektakulär zurückgegangen“. Jedoch habe in diesem Land die „grauenvolle Praxis“, Menschen spurlos verschwinden zu lassen, „noch immer nicht ganz aufgehört“. „Spürbare Fortschritte“ wurden in El Salvador festgestellt, wo ein „beträchtlicher Rückgang der Vermißtenfälle und der Aktivitäten der Todesschwadronen“ festzustellen sei. Doch habe es noch in der ersten Jahreshälfte 91 Fälle von Morden und Vermißten gegeben, die zumeist den Todesschwadronen zuzuschreiben seien. „Zutiefst beklagte“ der interamerikanische Menschenrechtsausschuß die Verfolgungen und Verhaftungen in Kuba, die die Tätigkeit unabhängiger Menschenrechtsgremien unmöglich machten. Ferner wurde die Hoffnung bekundet, daß 110 politische Häftlinge „bald freigelassen werden“. Dieses Land sei nach wie vor kein Rechtsstaat und habe keine politischen Alternativen. In Nicaragua sei der CIDH „tief besorgt“ vor allem über die Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem sandinistischen Regime und der Kirche. Die Belästi gung von Priestern, Ausweisung von zwei Bischöfen, Schließung des Kirchensenders Radio Catolica seien ebenso besorgniserregend wie die Schließung der Oppositionszeitung „La Prensa“ und die „zahlreichen Aktionen“ gegen die Oppositionsparteien. In Paraguay werde zwar weniger gefol tert und gemordet, und auch die Fälle spurlosen Verschwindens seien zurückgegangen, stellte der Ausschuß fest. Doch komme es weiter zu Menschenrechtsverletzungen. In– und ausländische Journalisten seien festgenommen, bedroht und belästigt worden, und die Pressefreiheit sowie das Recht auf freie Vereinigung und Versammlung seien eingeschränkt. Zu Haiti hieß es, die „offenkundige Unfähigkeit“ des Nationalen Regierungsrates (CNG), die Miliz des Duvalierregimes (Tonton– Macoutes) zu entwaffnen, sei eine „Frage ständiger Besorgnis“. Bei Auflösung der Miliz im Februar 1986 seien 5.000 Waffen sichergestellt worden, doch seien mutmaßlich noch 10.000 Waffen im Besitz der Ex–Miliz. Es gebe Hinweise, daß Tonton– Macoutes im Grenzgebiet mit der Dominikanischen Republik Zuflucht suchten und „auf den geeigneten Augenblick für die Rückkehr warten“. Die Verfolgung von Anhängern des Voodoo–Kultes erkläre sich dadurch, daß zahlreiche seiner Priester auch Tonton–Macoutes waren, hieß es. Seit Februar seien fast 100 Priester und Priesterinnen des Kultes bei lebendigem Leib verbrannt oder mit Macheten niedergemetzelt worden.