„Sauerteig“ scheint nicht gefragt

■ Die Berliner Alternative Liste bestimmte ihre Bundestagskandidaten / Nach acht Wahlgängen standen die vier Kandidaten fest / Allgemeine Tendenz: Parteidisziplin und einwandfreier Lebenslauf stehen im Vordergrund

Aus Berlin Gerd Nowakowski

„Ich will in den Bundestag - das hab ich schon länger entschieden“, teilte die Kandidatin Siggi Fries am Montagabend den Mitgliedern der Berliner AL mit, die die Abgeordneten für den nächsten Bundestag nominierten. Acht Wahlgänge waren notwendig, bis die Direktkandidaten - Berliner Bundestagsabgeordnete werden im Verhältnis zur Stärke im Abgeordnetenhaus nach Bonn delegiert - bestimmt waren. Der AL stehen zwei Plätze zu; weil sich die Berliner auf ihrer letzten Mitgliederversammlung knapp für die Beibehaltung der Zweijahres–Rotation entschie den, mußten vier Kandidaten gefunden werden. Die Berliner AL– Plätze in Bonn sind absolut sicher, die ALer werden im neuen Bundestag vertreten sein, auch wenn die Grünen den Einzug nicht schaffen. Vier Frauen und fünf Männer stellten sich zur Wahl; gewählt wurden die 36jährige Ellen Olms, der 37jährige Peter Sellin, ehemals Mitglied im Abgeordnetenhaus für den ersten Durchgang, sowie Siggi Fries und der geborene Peruaner und „Internationalist“ German Meneses in der zweite Runde. Die Vorstellung glich einem stereotypen Abhaken der Partei– Essentials: gegen Atom, gegen Raketen, gegen 218. Mit ihrer Forderung, dies reiche nicht aus, blieb das Mitglied des Berliner Abgeordentenhauses, Hilde Schramm, allein. Symptomatisch die Kandidatur Udo Knapps, Mitarbeiter des jetzigen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele. Er hielt die einzige politische Rede des Abends, geißelte die „verdammte Sittenwächtermoral“ der Partei, forderte den Ausstieg „aus festgefahrenen Lagerschleifen“, und bekannte seine Schwierigkeiten mit einer „formalen Fraktionsdisziplin“. Die Quittung kam postwendend. „Ich bin für das imperative Mandat“, konterte unmittelbar danach Siggi Fries, derzeit ebenfalls Mitarbeiterin in der Grünen Bundestagsfraktion unter Beifall. „Sauerteig“ für die neue Fraktion, wie Ströbele den streitfähigen Knapp bezeichnete, war nicht gefragt. Kein Wunder, daß einzelne Kandidaten bekundeten, sie wollten sich nur dann zu Themen äußern, wenn es zuvor „eindeutige Beschlüsse“ der AL dazu gibt. Überraschen konnte das Nominierungsschauspiel daher nicht. Daß im Schöneberger Rathaus solide Arbeit gemacht wird, bestreitet keiner. Aber Politikentwürfe über den Tag hinaus, die Lust an der Auseinandersetzung, ist der AL abhandengekommen: Gefragt sind berechenbare Verwalter eines ideologischen Apparats.